Freitag, 4. September 2009

Minus und Plus ergibt Minus (I)

Eine aktuelle Studie der Nationalbank (OeNB) gibt Anreiz, sich mit einer verbreiteten Suggestion tagesaktueller Meldungen auseinander zu setzen. Die OeNB hatte erstmals seit zwei Jahren eine Konjunkturprognose "nach oben" revidiert: nicht minus 4.2 % (wie noch im Juni vermutet) sondern "nur" minus 3.5 % bis minus 3.8 % soll das Wirtschafts"wachstum" ausmachen.

Das nährt Spekulationen (letztere waren ja in anderer Weise massiv am Krisenausbruch beteiligt), dass bald ein "Aufschwung" beginnen könnte und das ist der eigentlich interessante Aspekt, weil dieser "Aufschwung" wird von vielen maßgeblich herbeigesehnt. Verbunden damit ist nämlich die falsche Illusion, dass sich die Handlungsmöglichkeiten der Politik dann wieder ausweiten würden.

Zunächst ist einmal eine banale - aber leicht zu vergessende - Tatsache klarzustellen: Wenn die Wirtschaft z.B. 2009 um 3.5 % schrumpft und dann in den Folgejahren um je 0.5 % wächst (was zumindest für 2010 schon seeehr optimistisch ist), so dauert es dennoch bis 2017 (!) dass der Wert von 2008 erreicht wird, bei einem jährlichen Wachstum von 1 % braucht es immer noch bis 2013. So lange würde es also dauern, bis wieder die Verteilungsspielräume von 2008 zur Verfügung stehen.

Diese "Durchtauchen und Warten"-Politik verkennt aber, dass die Zeiten, in welchen Verteilungspolitik über Wirtschaftswachstum (und Schulden) betrieben wird, ein für alle mal vorbei sind. Trotz - oder wegen - eines nie dagewesenen Reichtums in der Welt hat sich die Verteilungsfrage massiv zugespitzt: Reformen im Interesse der breiten Masse können nur mehr durchgesetzt werden, wenn der Einfluss monopolkapitalistischer Gruppen ernsthaft zurückgedrängt wird. Das setzt eine gewisse Entschlossenheit voraus und keinen pragmatischen Kuschelkurs. Der aktuelle Kampf ums Gesundheitssystem in den USA verdeutlicht dies. Hinzu kommt die paradoxe Problematik, dass es ohne ernstzunehmende Eingriffe auch kaum eine dynamische Wirtschaftsentwicklung geben wird, da die derzeitige Krise eben nicht deshalb entstanden ist, weil sich ein paar Börsianer "verzockt" haben. Wer also das Massenwohl durch Wachstum steigern will und dabei die Verteilungsfrage zu umschiffen sucht, wird feststellen, dass dies voraussetzt, gerade diese Verteilungsfrage zu stellen. Gewissermaßen verdeutlicht das die Problematik der Reichen: Ihr einziger Weg reicher zu werden besteht darin, etwas von ihrem Reichtum abzugeben. Arme Millionäre!

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