Freitag, 22. Januar 2010

EURO

Die Euromemorandum-Gruppe hat ihr neues Euromemorandum veröffentlicht, das nun auch auf Deutsch vorliegt: "Europa in der Krise. Wie die EU in der Krise versagt."

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Montag, 26. Oktober 2009

Windows 2.0

Viel ist seit Ausbruch der Krise vom Window of Opportunities geredet worden, das man aus systemkrisicher bzw. sozialdemokratischer Sicht ausnützen müsse. Lustigerweise wird dabei gerne auf ein Zitat des neoliberalen Vordenkers Milton Friedman (aus "Kapitalismus und Freiheit") verwiesen:

Only a crisis - actual or perceived - produces real change. When that crisis occurs, the actions that are taken depend on the ideas that are lying around.
Wie viele andere hat Ökonomin Helene Schubert neulich die Ansicht vertreten, dass sich dieses Window of Opportunities bereits geschlossen hätte. Dass die Sozialdemokratie sowie die systemüberwindende Linke zu jenem Zeitpunkt am Boden waren, heißt aber natürlich nicht, dass die "actions taken" damals in ernsthafter Weise von deren "lying around" abgehängt wäre. Ironischerweise hat gerade die starke Staatsintervention zu jener Phase in diesen Kreisen zum Teil die Ansicht hervorgebracht, man habe den "Kampf um die Ideen" bereits gewonnen - denn nun komme die Rückkehr des Staates und man müsse nur die nächsten Wahlen gewinnen, den Bundeskanzler stellen und dann könne gehörig umverteilt und reguliert werden - was auch gleich die nächste Krise verhindern würde. Dies zeigt auch die starke Hegemonie neoliberaler Ideen - als ob der Staat in den Jahren davor abwesend gewesen wäre!

Zwei Bemerkungen zu obigem Friedman-Zitat erscheinen notwengig:

  1. war die Durchsetzung des Neoliberalismus eine Machtfrage - bereits die Jahre und Jahrzehnte davor wurden als vermeintliche "Experten" getarnte Neokonservative an die Schalthebeln der Macht gesetzt: Politik, Wissenschaft, Wirtschaft. Das hat Paul Krugman in "The Conscience of a Liberal" ziemlich gut aufgearbeitet. Als dann ein gewisses Regime kapitalistischer Regulierung ("Fordismus"/"Keynesianismus") in die Krise geriet, war es nicht mehr schwer, die neoliberale Dogmenlehre politisch durchzusetzen. Es war nicht so, dass aus herumliegenden Ideen zufällig welche ausgewählt wurden - Mann hat wissentlich diejenigen Ideen politisch durchgesetzt, die man zuvor in "wissenschaftlichen" Journals hundertfach reproduziert hat.

    Man könnte aus diesem Eindruck ableiten, es gehe darum, einen "roten langen Marsch durch die Institutionen" vorzubereiten. Die Sinnhaftigkeit desselben erübrigt sich mit einem Hinweis auf die "führenden Köpfe" in der Institution SPÖ.

    Wofür bestehende Möglichkeiten hingegen genützt werden können, ist der Kampf um die Köpfe. "Die Theorie wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift", hat Marx es ausgedrückt. Sie tut dies, wenn sie am Menschen demonstriert.

  2. Friedman spricht von einer "actual or perceived" crisis. Gegen die "actual" crisis heute war die Krise, in deren Folge sich der Neoliberalismus durchsetzte, kaum ein Kriselchen. Aber sie war v.a. auch eine "perceived" crisis eines allzu paternalistischen, egalitaristischen Konzepts des (Sozial-)Staats und der Ökonomie in einer sich dem Schein nach immer differenzierter zeigenden Gesellschaft, die nach "Freiheit" strebte, die ihr der "Neoliberalismus" verhieß.

    Diese "perceived" crisis ist noch lange nicht vorüber. Hierbei ist v.a. die soziale Krise hervorzuheben, denn selbst wenn sich das Bruttoinlandsprodukt tatsächlich erholen sollte, so wird der Arbeitsmarkt dafür noch lange brauchen. Und die hohen Kosten der jetzigen Konjunkturpakete wird auch jemand zu tragen haben.
Das heißt aber, dass die Möglichkeit, die Krise aus linker Sicht als Chance zu nützen, noch nicht vergeben ist. Was sollte sich dabei als geeigneteres Thema erweisen, als eine breite gesellschaftliche Diskussion über die Verteilung der Arbeit loszutreten?

Montag, 7. September 2009

Minus und Plus ergibt Minus (II)

Im letzten Beitrag wurde gezeigt, dass ein Aufschwung oft nur gegenüber dem jeweiligen Vorjahr ein Aufschwung ist und gegenüber länger zurückliegenden Zeitpunkte dennoch eine Verschlechterung sein kann. Tatsächlich stellt sich aber die Frage, ob dieser Aufschwung auch wirklich kommt. Einiges spricht - zumindest aus österreichischer Sicht - dagegen:

1. Staatsschulden

Dass der Abschwung in Österreich nicht so schlimm wie in anderen Ländern (z.B. Deutschland) war, lag u.a. an den hiesigen Konjunkturpaketen. Diese haben den Konjunktureinbruch abgedämpft, waren allerdings nicht genügend auf den notwendigen Strukturwandel ausgerichtet (Einmal- und Vorzieheffekte, z.B. Verschrottungsprämie, Rettung maroder Betriebe). Vor allem haben sie aber eines: Geld gekostet. Dies wird sich nicht über mehrere Jahre fortsetzen lassen, der Aufschwung wird aber wenn nur zögerlich kommen und weitere öffentliche Konjunkturstimuli brauchen. Für diese sind aber kaum finanzielle Mittel vorhanden.

2. Verzögerte Arbeitsmarktwirkung

Selbst wenn es 2010 mit der Gesamtwirtschaft wieder bergauf gehen sollte, so wird das sicher nicht auf den Arbeitsmarkt zutreffen. In vielen Dienstleistungsbereichen stehen die eigentlichen Kündigungswellen erst bevor, einzelne Auftragszunahmen von Unternehmen werden eher mit Überstunden, selten mit neuen Beschäftigten (und wenn dann Leiharbeitskräften) abgedeckt.

3. Internationale Nachfrageschwäche

Mit der gestiegenen Arbeitslosigkeit und der erwähnt tiefen Rezession in Deutschland - Österreichs wichtigstem Handelspartner - lässt sich die Nachfrage nicht ankurbeln. Die Konjunkturlokomotive USA ist ausgefallen, wird die weltweite Überproduktion nicht weiterhin auf Kredit schlucken können; China ist weit entfernt, eine derartige Rolle übernehmen zu können. Eine internationale Dynamik kann wohl am ehesten durch eine neue internationale Finanz- und Handelsarchitektur ("Bretton-Woods-2") geschaffen werden, die ist aber nicht in Sicht, da die politisch Verantwortlichen lediglich kleine Schönheitsfehler korrigieren.

4. Überkapazitäten

Die derzeitige Krise ist durch die größten weltweiten Überkapazitäten an Produktionsmitteln seit dem Zweiten Weltkrieg charakterisiert. Das bedeutet, dass nicht nur der Privatkonsum der Haushalte (siehe 3) und die öffentliche Nachfrage (siehe 1) ausbleiben wird, sondern seitens der Unternehmen auch keine Investitionen im großen Stil getätigt werden.

Freitag, 4. September 2009

Minus und Plus ergibt Minus (I)

Eine aktuelle Studie der Nationalbank (OeNB) gibt Anreiz, sich mit einer verbreiteten Suggestion tagesaktueller Meldungen auseinander zu setzen. Die OeNB hatte erstmals seit zwei Jahren eine Konjunkturprognose "nach oben" revidiert: nicht minus 4.2 % (wie noch im Juni vermutet) sondern "nur" minus 3.5 % bis minus 3.8 % soll das Wirtschafts"wachstum" ausmachen.

Das nährt Spekulationen (letztere waren ja in anderer Weise massiv am Krisenausbruch beteiligt), dass bald ein "Aufschwung" beginnen könnte und das ist der eigentlich interessante Aspekt, weil dieser "Aufschwung" wird von vielen maßgeblich herbeigesehnt. Verbunden damit ist nämlich die falsche Illusion, dass sich die Handlungsmöglichkeiten der Politik dann wieder ausweiten würden.

Zunächst ist einmal eine banale - aber leicht zu vergessende - Tatsache klarzustellen: Wenn die Wirtschaft z.B. 2009 um 3.5 % schrumpft und dann in den Folgejahren um je 0.5 % wächst (was zumindest für 2010 schon seeehr optimistisch ist), so dauert es dennoch bis 2017 (!) dass der Wert von 2008 erreicht wird, bei einem jährlichen Wachstum von 1 % braucht es immer noch bis 2013. So lange würde es also dauern, bis wieder die Verteilungsspielräume von 2008 zur Verfügung stehen.

Diese "Durchtauchen und Warten"-Politik verkennt aber, dass die Zeiten, in welchen Verteilungspolitik über Wirtschaftswachstum (und Schulden) betrieben wird, ein für alle mal vorbei sind. Trotz - oder wegen - eines nie dagewesenen Reichtums in der Welt hat sich die Verteilungsfrage massiv zugespitzt: Reformen im Interesse der breiten Masse können nur mehr durchgesetzt werden, wenn der Einfluss monopolkapitalistischer Gruppen ernsthaft zurückgedrängt wird. Das setzt eine gewisse Entschlossenheit voraus und keinen pragmatischen Kuschelkurs. Der aktuelle Kampf ums Gesundheitssystem in den USA verdeutlicht dies. Hinzu kommt die paradoxe Problematik, dass es ohne ernstzunehmende Eingriffe auch kaum eine dynamische Wirtschaftsentwicklung geben wird, da die derzeitige Krise eben nicht deshalb entstanden ist, weil sich ein paar Börsianer "verzockt" haben. Wer also das Massenwohl durch Wachstum steigern will und dabei die Verteilungsfrage zu umschiffen sucht, wird feststellen, dass dies voraussetzt, gerade diese Verteilungsfrage zu stellen. Gewissermaßen verdeutlicht das die Problematik der Reichen: Ihr einziger Weg reicher zu werden besteht darin, etwas von ihrem Reichtum abzugeben. Arme Millionäre!

Mittwoch, 2. September 2009

Fraglicher Lichtblick am Arbeitsmarkt: + 29,8 % Arbeitslose

Ende August 2009 waren 238,803 Menschen in Österreich als arbeitslos gemeldet. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um 29.8 %. Auch die Zahl der SchulungsteilnehmerInnen stieg wieder rasant an: um 42.8 % auf 57,694.

Rückläufig ist hingegen die Zahl der ArbeitnehmerInnen die Kurzarbeit leisten - für Sozialminister Hundstorfer und Finanzminister Pröll ein Lichtblick. Wenn diese Arbeitsmarktentwicklung aber ein Lichtblick ist, so mag man lieber nicht wissen, wie Misserfolg aussieht.

Dienstag, 1. September 2009

FSA-Chef fordert Tobin Tax

Der Chef der obersten britischen Aufsichts- und Regulierungsbehörde FSA, Adair Turner, hat im Rahmen eines Interviews für Prospect eine Tobin-Tax gefordert. Argumentiert hat er das so wie wir an dieser Stelle: Ein großer Teil der Aktivitäten auf Finanzplätzen sei gesellschaftlich nutzlos ("socially useless").

Turner's Forderung hat zum Teil heftige Kritik der Standort-Fetischisten nach sich gezogen.

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Sonntag, 30. August 2009

Warum der Kapitalismus nicht am Ende ist

aber die Krise erst recht nicht

beantwortet Conrad Schuhler in seinen Thesen zur nächsten Zukunft des Kapitalismus, die nach einer prägnanten Einführung in die Ursachen der Krise v.a. die trüben Konjunkturaussichten in Deutschland heranziehen, um einen L-formigen Krisenverlauf zu zeichnen: steiler Absturz, danach lange Stagnation.