Dienstag, 31. März 2009

Löhne runter? Preise runter?!

Großkoalitionäre Einigkeit scheint zu herrschen, wenn es darum geht, die Krise auf die Schultern der ArbeitnehmerInnen abzuwälzen: In den letzten Tagen haben ÖVP-Wirtschaftsminister Mitterlehner sowie die "rote" Siemens-Chefin Ederer mit der Forderung nach einem Lohnverzicht aufhorchen lassen. Politikwissenschafter Emmerich Talos hat völlig zurecht dagegen argumentiert, dass ein Lohnverzicht keine Arbeitsplätze sichert - eine Erfahrung, die in den letzten Jahren besonders die deutsche ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung machen musste.

Vielmehr Nachdruck muss dieser Argumentation in der gegenwärtigen Situation verschafft werden. Prinzipiell drohen nämlich deflationäre Prozesse, wenn die Lohnabschlüsse unter der Inflationsrate + Produktivitätssteigerung bleiben. In den letzten Jahren war dies durchwegs bereits der Fall, allerdings konnte dieses latente Risiko durch wachsende Exporte verdeckt werden.

In der jetzigen Situation, wo die Kaufkraft weltweit stagniert, kann der zu geringen Güternachfrage aber auch nicht mehr durch Exportexzesse entgegengewirkt werden. Bleibt auch die Nachfrage im Inland aus, so entsteht ein Druck auf die Güterpreise, da die Waren nicht mehr zu den gewohnten Preisen abgesetzt werden können. Fallen die Preise, so spricht man von einer Deflation - dem Gegenteil der Inflation (wo Waren teurer werden). Spanien hat als erstes EU-Land gestern bereits eine leichte Deflation gegenüber dem Vorjahr vermeldet.

Deflation mag auf den ersten Blick nach Jahren steigender Lebensmittel- und Energiekosten verlockend klingen, birgt aber auch große Gefahren.

Zum einen erhöht eine Deflation die Schuldenlast aller Schuldner.

Ferner ist es aber auch schwierig, die Konsumnachfrage sowie die Investitionen zu simulieren. Wenn die Preise im Fallen sind, wird eine vernünftige Käuferin ein neues Auto nicht heute kaufen, sondern wenn möglich noch etwas Zuwarten, bis die Preise weiter gesunken sind. Auch Unternehmer werden es ihr bei Anlageinvestitionen gleichtun.

Einer solchen Situation ist auch durch das klassische Instrument monetaristischer Wirtschaftspolitik, der Geldpolitik, nicht nachzukommen. Das Problem ist nämlich nicht, dass zu wenig Geld im Umlauf wäre, sondern dass sein Umlauf stockt. Das jahrelange Dahintümplen der japanischen Wirtschaft in einer Deflation ab Mitte der 1990er Jahre hat gezeigt, wie schwierig einer solchen Situation - schon unter international florierenden Verhältnissen - beizukommen ist.

Die Marktradikalen werden einsehen müssen, dass ihr freies Spiel der Marktkräfte horrende gesellschaftliche Verluste produziert, wenn es keinen Spielregeln unterworfen ist. Ein bisschen ist es wie mit dem magischen volkswirtschaftlichen Vieleck: Werden die Finanzmärkte liberalisiert, so bedarf es gut regulierter Arbeitsmärkte, die als Lohnanker deflationären Prozessen vorbeugen. Sollen Finanz- und Arbeitsmärkte liberalisiert werden, dann entstehen solche Prozesse verstärkt und die Politik muss zu fiskalpolitischen Maßnahmen greifen, um die unteren Einkommensschichten massiv zu entlasten - eine Maßnahme gegen welche die Monetaristen dereinst ins Feld gezogen sind. Nur Markt alleine funktioniert eben nicht.

Montag, 30. März 2009

20.000 TeilnehmerInnen am Aktionstag 28. März

Laut VeranstalterInnen nahmen am Samstag 20.000 Menschen am Aktionstag "Wir zahlen nicht für eure Krise!" in Wien teil. Die Bundespolizeidirektion Wien sprach in einer Aussendung von 6.500 TeilnehmerInnen, die sich "erwartungsgemäß friedlich und geordnet" über die Maria Hilfer Straße zum Parlament bewegten.

Fotos finden sich
>>hier und
>> hier

Und hier gibt es auch ein Video.

Sonntag, 29. März 2009

Verteilung und Krise

Dass die verteilungspolitischen Schieflagen der letzten Jahr(zehnt)e auf Dauer nicht gut gehen können, war den meisten kritisch denkenden Köpfen klar. Dass es einen Zusammenhang zwischen ungleicher Einkommensverteilung, Beschäftigungsabbau und Krise geben könnte, hat sich mittlerweile sogar schon bis zur Regierung durchgesprochen. So kann man auf Seite 23 des im Jänner erschienenen Sozialberichts 2007 - 2008 des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz lesen:

"Die letzten drei Jahrzehnte waren in den europäischen Industriestaaten durch schwaches Produktions- und Einkommenswachstum sowie hohe Arbeitslosigkeit und zunehmende Ungleichheit in der Einkommensverteilung gekennzeichnet. Die Verteilung des Volkseinkommens verschob sich von den Lohneinkommen zu den Gewinn- und Vermögenserträgen, gleichzeitig nahmen die Einkommensdisparitäten zu. ...
Die ökonomische Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat nicht nur die Verteilung der Markteinkommen zu Lasten der Lohneinkommen verschoben, sondern auch die Abgabenbelastung."

Und ferner: "Stagnierende Einkommen und zunehmende Ungleichheit in ihrer Verteilung dämpfen die Konsumnachfrage und damit Kapazitätsauslastung und Produktion - sowie in der Folge die Beschäftigung."

Na also, es geht doch!

Mittwoch, 25. März 2009

AKNÖ: Rekorde bei Insolvenzen, Kurzarbeit & Kündigungen

AKNÖ-Vizepräsident Hermann Haneder wies am Montag auf die immer angespanntere Lage am (nieder-)österreichischen Arbeitsmarkt hin:
  • Aktuell sind in NÖ 54.066 ArbeitnehmerInnen arbeitslos, das ist ein Anstieg um 24,7 % gegenüber dem Vorjahr (Österreich: 301.695; + 23,7 %)
    Besonders Männer, AusländerInnen, LeiharbeiterInnen und Jugendliche sind davon betroffen.
  • Die Zahl der zur Kündigung beim AMS vorgemerkten ArbeitnehmerInnen ("Frühwarnsystem") hat sich in NÖ vom 1. Halbjahr 2008 (1.323) zum 2. Halbjahr 2008 (11.642) nahezu verzehnfacht. Eine Trendumkehr ist nicht erkennbar - im Gegenteil: In den ersten 11 Kalenderwochen des Jahres 2009 verdreifachte sich die Zahl der Frühwarnungen (3.310) gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres (1.003).
  • Besonders drastisch hat sich die Kurzarbeit entwickelt:
    2007 haben 7 Betriebe für 135 ArbeitnehmerInnen Kurzarbeit beantragt
    2008haben 4 Betriebe für 83 ArbeitnehmerInnen Kurzarbeit beantragt
    seit Jahresbeginn 2009 haben bereits 54 Betriebe für 9.795 ArbeitnehmerInnen Kurzarbeit beantragt
Haneder wies ferner darauf hin, dass die bisher beschlossenen Rettungsmaßnahmen der Bundesregierung auf die Kapitalversorgung der Wirtschaft abzielten und jetzt an die ArbeitnehmerInnen gedacht werden müsse - v.a. um die chronisch schwache Binnennachfrage anzukurbeln. In diesem Zusammenhang forderte er arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, Entlastungen für ArbeitnehmerInnenhaushalte und einen Investitionsschub für regionale Infrastrukturen, v.a. ein 500-Millionen-Euro Investitionspaket für die niederösterreichischen Gemeinden.

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Dienstag, 24. März 2009

Die (doppelte) Tragik der Allmende - Teil III

In den bisherigen Teilen dieser kleinen Serie wurde anhand der Tragödie der Allmende darauf hingewiesen, dass das individuelle Streben nach Profit nicht zum Wohle aller führen muss, sondern gesellschaftlich hohe Kosten verursachen kann (Teil I). Ferner wurde aufgezeigt, dass solche Widersprüche zwischen Eigentumsverhältnissen und Produktivkräften Motor der inneren gesellschaftlichen Dynamik sind und es die ökonomische Gesellschaftsformation schafft, diese Widersprüche immer wieder für sich zu lösen (Teil II).

Im Zuge dieses "Lösungs"mechanismus (welcher den Widerspruch nicht löst, sondern ihn nur auf ein neues Niveau hebt), erweist sich die Frage des Eigentums als zentral - praktisch, wie im Falle der ursprünglichen Akkumulation gezeigt (siehe Teil II), aber auch theoretisch - denn aus dem Eigentum legitimiert sich die Aneignung.

Einer der größten modernen Apologeten dieses Privateigentums ist der Ökonom Ronald Coase, dessen 1960 formuliertes Theorem (unter gewissen Annahmen) besagt, dass es für die Verteilung der Ressourcen in der Gesamtwirtschaft letzlich gleich ist, wem ein bestimmtes Gut gehört (solange es jemandem gehört!), weil jede Eigentümerin nach der profitabelsten Nutzung dieses Guts strebt (Coase-Theorem), was ihm 1991 auch den Ökonomie-"Nobelpreis" einbrachte.

Praxisrelevant fragt man sich in diesem neoklassischen Theoriestrang, wieso der Bestand bestimmter Meeresfische gefährdet ist, während es keinen Mangel an Hühnchen gibt; und antwortet: Weil die Fische allen gehören, die Hühnchen aber Einzelnen. Wenn der gesamte Fischbestand der Erde Eigentum eines Weltdiktators wäre, so das Kalkül der Marktliberalen, würde dieser eine Überfischung verhindern, um auch künftig Bestände für den Verkauf zu besitzen. Zwar hat der Diktator Samoza am Largo de Nicaragua das Gegenteil bewiesen, doch hat die Idee dennoch praktischen Output gefunden: Etwa beim weltweiten Handel an Emissionsrechten.

Zugespitzt auf die heutige Situation kann man sich die Frage stellen: Sind unsere Finanzmärkte zu sehr in öffentlicher Hand und verursachen deshalb Ineffizienzen? Sollte man nicht die vermeintlich bestehende "Überregulation des Staates" auf den Finanzmärkten durch private Verfügungsrechte ersetzen? Könnte man dadurch nicht Externalitäten, die derzeit auf die gesamte Gesellschaft abgewälzt werden, internalisieren? Entstehen solche Ineffizienzen nicht nur deshalb, weil der Staat störend in die Selbstheilung des freien Marktes eingreift?

Gewiss: Eine solche Argumentation ist Humbug. Doch die Neoliberalen - die sich vorläufig in einer Krise befinden - haben uns auch schon blödere "Argumentationen" verkauft. Und spätestens wenn die ersten Lichtblicke am liberalen US-Arbeitsmarkt in greifbarer Ferne zu erkennen sind während das "überregulierte" Europa noch unter hoher Arbeitslosigkeit leidet, werden sie wieder die "Effizienz des Marktes" hochstilisieren und den Marsch zur Enteignung der Gesellschaft blasen.

Für den Kapitalismus mögen Momente epochemachend sein, in denen große Menschenmassen von ihren Subsistenzmitteln losgerissen werden (siehe Teil II). Auf seiner imperialistischen Stufe leben Menschen kaum mehr von Subsistenzmitteln. Dennoch kann es zu nachhaltigen Änderungen in der Stellung der Besitzenden zu den Produktionsmitteln, zu Eingriffen in die Eigentumsverhältnisse kommen.

Aus der historischen Betrachtung der Tragik der Allmende lässt sich folgern, dass es nicht nur einen systemüberwindenden, bzw. "anti-liberalistischen" ("etatistischen") Ausweg aus der gegenwärtigen Akkumulations- und Regulierungskrise des Kapitalismus gibt. Dies gilt umso mehr, da diese mit einer der größten Krisen der Linken und ArbeiterInnenbewegung zusammenfällt. Dass führende Vertreter letzterer auf eine Jahrhundertkrise des kapitalistischen Systems nicht mehr Antworten parat zu haben scheinen, als Kurzarbeit und Qualifizierungsmaßnahmen, spricht für sich.

Dennoch besteht Hoffnung. Galileo Galilei mag vor dem Inquisitionsgericht unter Androhung von Folter seine Aussagen widerrufen haben - doch hielt er an seinen Überzeugungen fest und veröffentlichte die Discorsi - letztlich setzte sich die kopernikanische Wende durch. Wie Bertolt Brecht in Szene 8 des Lebens des Galilei schreibt, setzt sich aber "nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein." Allerdings soll Brecht auch gesagt haben, dass sich immer nur soviel Vernunft durchsetze, wie zur Aufrechterhaltung bestehender Zustände nötig sei. Die institutionalisierte österreichische ArbeiterInnenbewegung mag für eine solche passive Revolution, die letztlich einer Systemrettung gleichkommt, besonders empfänglich sein. Auch Galilei's Intention war es ja nicht, die Kirche zu stürzen, sondern sie vor einem Irrtum zu bewahren. Dann droht jedoch, dass der Opener zu Galilei's Szene 4 für sich steht: "Das Alte sagt: So wie ich bin, bin ich seit je."

Es sei denn "Das Neue sagt: Bist du nicht gut, dann geh."

Sonntag, 22. März 2009

Die (doppelte) Tragik der Allmende - Teil II

Die im letzten Beitrag geschilderte Tragik der Allmende mag eine treffende Beschreibung für das Herdenverhalten auf den Finanzmärkten sein, wo Profitgier der Einzelnen nicht zum Wohle aller, sondern zu hohen Kosten für die Gesellschaft geführt haben. Naheliegend also z.B., dass Lucas Zeise & Co. ihren Blog Herdentrieb nannten, weil die Hirten die Richtung nicht kennen und herdenweise immer wieder in eine Richtung laufen und damit Instabilitäten verursachen.

Doch aus diesen instabilen und Krisenmomenten bereits Gedanken über ein Ende des Kapitalismus zu spinnen (z.B. Altvater, 2005: 20), ja es überhaupt nur als Kritik des kapitalistischen Systems per se zu verstehen, ist zunächst zumindest gewagt - darf doch die Anpassungsfähigkeit des Systems in seinen eigenen Krisenmomenten nicht unterschätzt werden.

Sehen wir uns zunächst einmal an, wie sich dieses kapitalistische System überhaupt historisch entwickelte, was natürlich ein langfristiger, widersprüchlicher Prozess war. Gemeinsam ist diesem Prozess aber, dass in ihm all jene Umwälzungen epochemachend sind, "die der sich bildenden Kapitalistenklasse als Hebel dienen; vor allem aber die Momente, worin große Menschenmassen plötzlich und gewaltsam von ihren Subsistenzmitteln losgerissen und als vogelfreie Proletarier auf den Arbeitsmarkt geschleudert werden", wie es Karl Marx (XXIII: 744) im Kapital erwähnt. Dabei hebt er die Expropriation, also Enteignung, des ländlichen Produzenten als "Grundlage des ganzen Prozesses" hervor, wobei explizit auf die private Aneignung von Staats-, Clan- und Gemeindeeigentum zu modernem Privateigentum eingegangen wird.

Was ist also aus unserer idyllischen Allmende geworden, diesem gemeinschaftlichen Ort individueller Interessenskumulation, als das auf seinem Boden herrschende Eigentumsverhältnis dem Fortgang der gesellschaftlichen Entwicklung entgegenstand? Er wurde im "Gemeininteresse" individualisiert, d.h. privatkapitalistisch angeeignet. In der Geschichte der ökonomischen Gesellschaftsformation vollziehen sich solche Umwälzungen, wo die Eigentumsverhältnisse mit den materiellen Produktivkräften in Konflikt geraden, zu Hauf - sie sind in dieser Gesellschaftsformation treibendes Moment gesellschaftlicher Entwicklung überhaupt. In der Tragödie der Allmende ist dieser Widerspruch quantitativ (zahlenmäßiges Wachstum der Produktivkraft Schaf) dargestellt, er hat natürlich aber auch ein qualitative Seite. So geraten die Eigentumsverhältnisse der Sklavenhaltergesellschaft (Sklavenhalter hält Eigentum an Sklavenarbeiter und von ihm verwendeten Werkzeugen) immer mehr in Widerspruch mit deren Produktivkräften, je qualitativ hochwertiger sich letztere entwickeln, da der Sklave kein persönliches Interesse daran hat, diese sachgerecht schonend einzusetzen, geschweige denn weiterzuentwickeln.

Derartige Umwälzungsprozesse passieren nicht von heute auf morgen, indem sich ein Konsortium an Sklavenhaltern, Kapitalisten oder Finanzmagnaten trifft und nach Problemanalyse eine Lösung umsetzt - oft sind es jahrhundertelange Prozesse. "Rome wasn't built in a day". Es ist aber auch nicht an einem einzelnen Tag untergegangen.

Es bleibt natürlich zu bezweifeln, ob das antike Rom überhaupt untergegangen ist, oder lediglich einen Umwälzungsprozess durchlaufen hat. Nachdem dies ein ökonomischer und kein historischer Blog ist, bleibt aber zu fragen: In welchem Umwälzungsprozess befindet sich unser gegenwärtiges Gesellschaftssystem? Wenn sich alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen als Tragödie und Farce sozusagen zweimal ereignen, droht die Tragödie der Allmende dann, zur Farce zu werden?

Der dritte und letzte Teil folgt am Dienstag, 24. März.

Dienstag, 17. März 2009

Die (doppelte) Tragik der Allmende - Teil I

Die Sozialwissenschaft und v.a. die Ökonomie lieben das vereinfachte Modell. Ein solches ist die Tragedy of Commons (Tragik bzw. Tragödie der Allmende). Die Storyline dieser Geschichte, die Garett Hardin 1968 in "Science" zur Diskussion stellte, geht etwa so:

Es gibt eine Weide, die für alle frei zugänglich ist. Jede rational agierende Hirtin wird nun versuchen, soviel wie möglich von seinem Vieh auf dieser Allmende weiden zu lassen. Solange die Gesamtzahl der Tiere unterhalb der Aufnahmefähigkeit des Landes bleibt, entsteht kein Problem. Wird diese allerdings überschritten, werden zusätzliche Tiere dennoch auf die Weide geschickt. Schließlich kann jede Hirtin eine Kosten-Nutzen-Rechnung an- und dabei feststellen, dass er den (Nahrungs-)Gewinn für jedes zusätzliche Tier für sich allein verbuchen kann, während die Nutzungskosten der Allmende durch Überweidung auf alle Hirtinnen aufgeteilt würden. Das rationale Streben nach eigenem Vorteil, das laut neoklassischer Vorstellung zum allgemeinen Wohlergehen aller führe, führt in solch einem System bis zu einem Totalzusammenbruch (der Weide).


Dieses Modell wurde bisher v.a. in der Bevölkerungsökonomie, der Spieltheorie, aber auch in der Politikwissenschaft (Elionor Ostrom) und der Sozialpsychologie angewendet. Man mag sie zur Modellierung der Überfischung der Meere und zur Verschmutzung der Umwelt durch externe Effekte der Produktion verwenden.

Und ist nicht die gegenwärtige Finanzkrise eine weitere unglaublich treffende Anwendungsmöglichkeit der Tragik der Allmende? Haben Profitgier der Einzelnen nicht zu hohen Kosten für alle geführt? Hat an den Aktienmärkten nicht ein ähnliches Herdenverhalten eingesetzt, das letztlich zu einem Totalzusammenbruch führte?

Teil 2/3 folgt am Sonntag, 22. März

Montag, 16. März 2009

SNB senkt Leitzins auf historischen Tiefststand

Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat vergangenen Donnerstag den Leitzins um einen Viertel Prozentpunkt auf den historischen Tiefststand von 0.25 % gesenkt.

Gleichzeititg kündigte die SNB an, am Geldmarkt massiv intervenieren zu wollen. In den letzten Monaten haben verunsicherte SparerInnen weltweit ihr Geld im Schweizer Franken angelegt, der ja bekanntlich als "sicherer Hafen" gilt. Das hat allerdings zu einer Aufwertung des Franken gegenüber Euro und US-$ geführt, was wiederum international die schweizer Exporte verteuert und so der exportorientierten schweizer Wirtschaft abträglich ist.

Nun möchte die SNB konkret Fremdwährungen einkaufen und im Gegenzug Franken auf den Markt werfen, um so eine weitere Währungsaufwertung zu verhindern und durch diese "wettbewerbsbezogene Entwertung" die Konkurrenzfähigkeit der eingenen Industrien erhöhen.

Dieser Schritt ist v.a. deshalb beachtlich, weil die Gruppe der 10 (G 10) führenden Notenbanken, der auch die SNB angehört, staatliche Interventionen auf den Devisenmärkten eigentlich ablehnt. Die SNB ist nun seit sieben Jahren das erste Mitglied, das eine offene Geldmarktinvestition ankündigte. Die SNB selbst intervenierte zuletzt im August 1995. Einstweilen genügte allein die Ankündigung, um den gewünschten Effekt zu erzielen: Der Franken stürtzte nach der Pressemitteilung der SNB so stark ein, wie es noch nie innerhalb eines einzigen Tages der Fall war.

Dabei könnte es allerdings nicht bleiben: Auch die japanischen Exporte sind stark unter Druck gekommen und im Jänner um 48 % (gegenüber dem Vorjahr) eingesackt, was erstmals seit 13 Jahren eine passive Leitstungsbilanz verursachte. Die japanische Nationalbank könnte also dem schweizer Vorbild folgen.

Sonntag, 15. März 2009

Yes, there is such thing as a free lunch (lecture)

Die Studienvertetung des SOWI-Dekanats und die Österreichische HochschülerInnenschaft an der Universität Linz haben eine wöchentliche Vortragsserie zur Finanzkrise ins Leben gerufen.

Für alle BesucherInnen dieser Lunch Lecture gibt es - solange der Vorrat reicht - ein gratis Lunch Paket.

Die nächsten Themen:

  • Zur Praxis des Finanzkapitalismus (18.3., Manfred Holztrattner)
  • Finanzmarktpolitische Ursachen der Krise (25.3., Stephan Schulmeister)
  • Die Krise und die osteuropäische Wirtschaft (31.3., Michael Landesmann)
  • Die Krise und der österreichische Arbeitsmarkt (22.4., Gudrun Biffl)
  • Die Krise und die oberösterreichische Wirtschaft (29.4., Rainer Barthel)
  • Neoliberalismus und sozialdemokratische Politik (6.5., Josef Weidenholzer)
  • Neoliberalismus und christlich-soziale Politik (13.5., Markus Schlagnitweit)
  • Zur Kulturgeschichte des Neoliberalismus (20.5., Walter Ötsch)
  • Die Krise: Ein Comeback für Keynes? (27.5., Engelbert Stockhammer)
  • Ethische Grundlagen der ökonomischen Theorie (3.6., Kurt Rothschild)
  • Die Krise und der Bankensektor (10.6., Teodoro Cocca)

Nähere Infos zu den Veranstaltungen und Downloads dazu finden sie hier.

Donnerstag, 12. März 2009

Marxistische Blätter - Die Krise der Weltwirtschaft

Die aktuelle Ausgabe der Marxistischen Blätter befasst sich in einem Schwerpunkt mit der Krise.
Besonders empfehlenswert ist der Beitrag von Gretchen Binus die aus der Sicht der SMK-Theorie auf die Finanzkrise als Resultat der staatsmonopolistischen Regulierung eingeht.

Die einzelnen Beiträge finden sich hier.

Kurz, kürzer, am kürzesten!

Derzeit kann man sich ja nicht vor den Meldungen über Kurzarbeit, sinkende Aktienkurse und steigende Arbeitslosigkeit retten. Schwer da den Durchblick zu behalten und mit den Zahlen etwas anfangen zu können. Daher hier ein kurzer Überblick, der eine Dimension anzeigen soll.

Kurzarbeit im Jänner 2008: ~ 200
Mitte Jänner 2009 prognostizierte Kurzarbeit für Jänner 2009: 15.200
tatsächliche Kurzarbeit Jänner 2009: 27.575

Daneben stieg aus die tatsächliche Arbeitslosigkeit weiter an (+ 12,2 % gegenüber dem Vorjahresmonat). Erst gestern wurde bekannt, dass die Austrian Airlines ab 1. April ebenfalls 2.600 ArbeitnehmerInnen in Kurzarbeit schicken werden.

Mittwoch, 11. März 2009

WIFO: Krise in Österreich vertieft sich

Die Schatten über der Weltwirtschaft werden auch in Österreich immer dunkler. Der jüngste Konjunkturtest des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) "deutet auf eine Vertiefung der Krise" hierzulande hin.

Stagnierte die Wirtschaft bereits im 3. Quartal 2008, so schrumpfte sie im 4. Quartal 2008 gegenüber dem Vorjahresquartal. Dieser Abwärtstrend hält auch im 1. Quartal 2009 an: Mehr als 50 % der befragten Unternehmen aus der Sachgüterindustrie beurteilten die aktuelle Geschäftslage als nicht zufriedenstellend. V.a. die Exporte wurden als zu gering eingeschätzt, wo sich die Rezession der wichtigsten Handelspartner bemerkbar macht. Diese Unternehmensbewertung ist die negativste seit über 10 Jahren.

Dienstag, 10. März 2009

Erstmals Rückgang der Weltwirtschaft seit 2. Weltkrieg?

Die Weltbank hat am Sonntag darauf aufmerksam gemacht, dass die Weltwirtschaft 2009 erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges schrumpfen könnte.

Bereits im Herbst 2008 hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) vor einer Rezession gewarnt, worunter der IWF entgegen der gängigen Definition bereits ein Wachstum der Weltwirtschaft von unter 3 % versteht. Nun soll es also noch schlimmer kommen. Die Industrieproduktion könnte im ersten Halbjahr 2009 um 15 % gegenüber dem Vorjahr sinken. Und das war bereits alles andere als rosig.

Der Welthandel wird gar den größten Einbruch seit 80 Jahren verzeichnen, wobei die größten Verluste in Ost-Asien stattfinden. Das rückt auch ins Bewusstsein, dass die globalen Verluste der Wirtschaftskrise nicht jedes Land gleichermaßen betreffen. Ausfälle im Ausmaß von 270 - 700 Milliarden Dollar werden die Entwicklungsländer 2009 verzeichnen - eine Größenordnung, der weder sie selbst noch internationale Finanzinstitute annähernd gerecht werden können. Lösungen seien daher von Regierungen und multinationalen Institutionen gefragt.

Zur Presseaussendung

Montag, 9. März 2009

AK Wien: Notleidende Banken

Die Wiener Arbeiterkammer hat unter dem Titel "Notleidende Banken" eine Studie veröffentlicht, die sich unterschiedlichen Fragestellungen im Kontext der sogenannten Finanzmarktkrise widmet. Über den Titel hinausgehend sollen auch Zusammenhänge von Finanz- und Realwirtschaft sowie Eckpfeiler eines neuen Finanzsystems skizziert werden.

Die Studie findet sich hier.

Freitag, 6. März 2009

What counts

And it's one, two, three, what are we counting for

don't ask me I don't give a damn, next stop isn't very calm

And it's five, six, seven, open up the pearly gates

ain't no time to wonder why, whoopee we're all gonna cry


germanys machine tool orders january 2009 on a year-to-year comparison: -40%
cars beeing assembled in america in january 2009 on a year-to-year comparison: -60%
percentage of chinese toy exporters which went bust last year: ~ -50%
taiwan's shipments of laptop computers in january 09: -33%
industry production during the last 3 months in us: -3,6% (+13,8% in 2008)
industry production during the last 3 months in gb: -4,4% (+16,4% in 2008)
industry production during the 4th quarter of 2008 in germany: -6,8%
industry production in the 12months to december of 2008 in taiwan: -32%
industry production during the 4th quarter of 2008 in taiwan: -21,8%
industry production during the 4th quarter of 2008 in japan: -12%
Venezuelas earnings from oil in 2008: $92,9 billion
venezuelas earnings from oil in 2009: $21,6 billion (forecast)
corporate profits in japan in 2008: -89%
world air cargo traffic in december 2008: -23%
exports of singapore in the last quarter of 2008: -17%
exports of germany in the last quarter of 2008: -8% (annualised rate)
exports of japan in the 12months to december of 2008: -35%
exports of china in the 12months to january of 2009: -18%
imports to china in the 12months to january of 2009: -43%
imports to vietnam in the 12months to december 2008: -45%
exports of taiwan in the 12months to december 2008: -42%
exports to china from the rest of asia in the 12months to december 2008: -27%
world foreign direct investment inflows in 2008: -21%
new car registrations in US year-to-year in january: -37,1%
private capital inflow into emerging markets 2007 to 2009: -50%
net loss of boeing in the fourth quarter 2008: $56 million
gdp fall at an averaged annualised rate in the fourth quarter of 2008 in hong kong, singapore, south korea and taiwan: -15%
exports at an averaged annualised rate in the fourth quarter of 2008 in hong kong, singapore, south korea and taiwan: around -50%
gdp euro area 2008: 0,8%
gdp euro area 2009: predicted -2,1%
gdp austria: $373 billion (nominal)
loans from austrian banks in west europe (with kazahkstan, russia and ukraine): €230 billion

price of a volkswagen-share on friday, the 24.10.2008, in euro: 210,85
price of a volkswagen-share on tuesday, the 28.10.2008, in euro: 945
loss of adolf merckle, who bet on falling volkswagen stock prices, in euro: about 1 billion
transaction volume of ratiopharm, one of merckles companies, in germany in 2007, in euro: 819,4 millionen
time to build a volkswagen in hours: 35,2
approximate time, marcel proust needed to write his epic novel "auf der suche nach der verlorenen zeit", in years: 17
toyota's output 2008: -50%

payments of citigroup to its empoyees in 2007: $34.4 billion
recent stock market value of citigroup: $18,1 billion
post-tax profits of merrill lynch in 2005 and 2006 combined: $12.6 billion
losses of merrill lynch in the fourth quarter of 2008 alone: $15,3 billion
wall street workers who said that they received bonus for 2008, despite the carnage: 79%
americans who have faith in the financial system: 22%
price for which dick fuld, onetime leader of lehman brothers, sold his three-acre florida estate (to his wife): $ 100

coffee sold in UK which is instant coffee: 80%

to be continued