Montag, 8. Dezember 2008

Serie: Kleines ABC der Finanzkrise

Teil 8

Welche Rolle spielen die Wertpapiermärkte in der Krise?

Neben der Finanzierung der Produktion spielen die Finanzmärkte noch eine andere Rolle. Es wurde bereits gesagt, dass die Aktienbesitzer ihre Aktien jederzeit an der Börse verkaufen können. Nun hat sich in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass der Handel mit Wertpapieren gegenüber der Investitionsfinanzierung enorm an Bedeutung gewonnen hat, ja das hier ein Wechsel in der Hauptfunktion der Finanzmärkte stattgefunden hat. Anstelle des finanzierungssuchenden Unternehmers tritt jetzt der renditesuchende Finanzanleger als dominierende Figur der Wertpapiermärkte. Der Kapitalismus der letzten Jahrzehnte war geprägt von einem stark aufgeblähten Finanzbereich wo nicht mehr die wirklichen Investitionen in die „Realwirtschaft“ bestimmend für dessen Entwicklung waren, sondern die Jagd nach höchst möglichen Renditen. Die kompliziertesten Finanzinstrumente kamen zum Einsatz und viele Investoren schreckten auch vor hochspekulativen Anlagen nicht zurück. Dies hat vor allem den Grund, dass die Volkswirtschaften der entwickelten Industrienationen eine gewaltige strukturelle Überakkumulation von Kapital aufzuweisen haben. Also sprich, das zusätzliche Kapital lässt sich nur noch unter Bedingungen verwerten, die zu Lasten des Gesamtkapitals gehen. Die Finanzmärkte erfüllen so einen im Interesse des nationalen Gesamtkapitals liegende Funktion, nämlich der Entwertung der vorhandenen Kapitale entgegenzuwirken, indem ein Teil des Kapitals nicht mehr der Produktion zugeführt wird, sondern den Wertpapiermärkten in riesigem Ausmaß zuströmt. Natürlich sind es die hohen Renditen, die das Kapital den Finanzmärkten zutreiben, aber der ungezügelte Kapitalverkehr, die so genannte Liberalisierung der Finanzmärkte, ist erst das Ergebnis einer strukturellen Krise der Realakkumulation, die seit den 1970er Jahren eine langfristige Tendenz zum Sinken aufweist.

Die Finanzmärkte sind hochgradig internationalisiert, man kann Ansprüche auf einen Unternehmensertrag in sekundenschnelle um den ganzen Erdball jagen, während die Produktionsanlagen natürlich im jeweiligen Land fixiert sind. Die großen Finanzanleger nutzen jede Renditebewegung um den maximalen Gewinn zu erzielen.

Lange Zeit hat man große Hoffnungen gehegt, dass es mit einer günstigen Renditeentwicklung immer weiter gehen werde. Doch ein „finanzgetriebenes Akkumulationsregime“ ist ein Luftschloss. Denn in einem solchen wird eben zu einem guten Teil nicht mehr real akkumuliert, sondern nur noch spekuliert. Alles Kapital das die Bewegung G-G’ beschreitet, muss sich letztlich aus dem erwirtschafteten Mehrwert der Unternehmen speisen. Diese Form des Einkommens ist hochgradig parasitär, es sind in der Tat nur noch Kuponabschneider, die nur noch aus den Ansprüchen aus einem Finanztitel ihr Vermögen beziehen. Dieses System, schwaches Wachstum der Realakkumulation auf der einen Seite und bedeutend rascheres Wachstums des Finanzsystems auf der anderen Seite, kann nicht ewig bestehen. Irgendwann platzt nicht nur eine Blase sondern muss das ganze System in die Krise geraten. Und das passiert eben jetzt.

Für die gegenwärtigen Krise der Wirtschaft, denn es handelt sich um eine solche, nicht die Krise der Finanzmärkte verantwortlich zu machen. Diese Krise wurde ausgelöst durch die Überakkumulation von Kapital, das nun in großem Ausmaß seiner Entwertung zugeführt werden muss. Aber auf den Finanzmärkten zeigt sich diese Krise zunächst am deutlichsten, weil sich das Kapital, das in Anweisungen auf einen Ertrag besteht, am raschesten entwertet.

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