Samstag, 31. Januar 2009

"Die Ökonomie braucht eine wissenschaftliche Revolution"

So lautet der Titel eines Aufsatzes des französischen Ökonomen Jean-Philippe Bouchard in der renomierten Zeitschrift Nature.

Darin wird v.a. die ökonomische Resistenz gegenüber Beobachtungen aus der Realität kritisiert. Zentrale Modellannahmen würden im Gegensatz zur Physik viel zu wenig hinterfragt. Wäre das geschehen, so wäre die Finanzkrise in dieser Form nicht so geschehen.

Mehr Infos: ORF-Science

Freitag, 30. Januar 2009

IWF: Rückkehr zu kräftigem Wachstum wird Jahre dauern

Eine aktuelle Studie es Internationalen Währungsfonds (IWF) revidiert die ohnedies nicht sonderlich guten jüngsten Konjunkturprognosen weiter nach unten: Laut IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn werde die Weltwirtschaft noch zwei bis drei Jahre nicht zu stabilem Wachstum zurückkehren. Er rechnet damit, dass die Prognosen für die USA und die europäischen Länder um mindestens einen halben oder ganzen Prozentpunkt gesenkt würden. Konkret prognostiziert der IWF 2009 Konjunktureinbrüche von - 1,5 % für die USA, - 2 % für die Euro-Zone und - 2,5 % für Japan. Schwellenländer müssten mit einem sehr viel langsameren Wachstum rechnen. Die gesamte Weltökonomie werde somit nur um 0,5 % wachsen - die niedrigste Rate in den letzten 60 Jahren. Eine Erholung könne nicht vor 2010 beginnen.

Wenn die Finanz- und Wirtschaftskrise wie zu erwarten anhalte, werde der IWF in sechs Monaten weitere Gelder zur Unterstützung von in Schwierigkeiten geratenen Ländern benötigen, so Strauss-Kahn. Bisher stellte der IWF Ländern wie Ungarn, Belarus, Island, Pakistan und der Ukraine, die massiv durch die Krise betroffen wurden, 47,9 Milliarden US-$ an Krediten zur Verfügung.

Donnerstag, 29. Januar 2009

Missbrauchen Banken und Industrie die Hilfskredite der Bundesregierung?

Nationalratsabgeordneter und stv. Bau-Holz-Gewerkschaftsvorsitzender Josef Muchitsch stellt in einer aktuellen Presseaussendung die berechtigte Frage, ob das von der Bundesregierung verabschiedete Bankenhilfspaket und Konjunkturprogramm auch zielgerichtet umgesetzt wird.

Anstatt Unternehmen zielorientiert und effizient Kredite anzubieten und so die Wirtschaft anzukurbeln, bremsen sich Banken bei Kreditvergaben an Wirtschaft und Private ein und wären andererseits bei Versteigerungsedikten aktiv wie nie zuvor.

Auch beim Instrument der Kurzarbeit ortet Muchitsch einen Missbrauch durch einzelne Konzerne: "Ich halte es für verwerflich, wenn mittels Kurzarbeit Arbeitszeiten reduziert, bei Löhnen und Lohnkosten gespart, aber parallel bereits an der Verlagerung von Produktionen in Billiglohnländern 'gebastelt' wird."

Montag, 26. Januar 2009

Sinkende Kaufkraft 2009 - auch 2008 kein Zuwachs

Die Marktforscher von RegioData Research erwartet für heuer aufgrund der Wirtschaftskrise "leichte Verluste" bei der heimischen Kaufkraft. Bereits 2008 hatte die Teuerung die Einkommenszuwächse zum Großteil weggefressen, sodass sich der finanzielle Lebensstandard der ArbeitnehmerInnen in Österreich nicht verbessert hat. Generell habe sich die Kaufkraft für die große Zahl an unselbständig Beschäftigten in den letzten Jahren kaum erhöht - die stärksten Zugewinne verzeichneten Beamte, Ärzte, Apotheker, Bauern und PenensionistInnen - allerdings von sehr unterschiedlichen Ausgangsniveaus.

Dienstag, 20. Januar 2009

Kurzarbeit drastisch gestiegen

Die Zahl der Kurzarbeitsverträge ist in Österreich zu Beginn des Jahres krisenbedingt rasant angestiegen. Rund 15.200 Menschen werden im Laufe des Jänners kurzarbeiten, im Dezember waren es noch 8.900. Ein Jahr zuvor waren es gerade einmal 200.

Am stärksten ist davon die Autozulieferindustrie betroffen. Alleine am General-Motors Werk Wien-Aspern müssen 1.540 MitarbeiterInnen kurzarbeiten.

Samstag, 3. Januar 2009

Krisenlösung? Frag' doch die Sterne!

Sloweniens Beitritt zum Euro wurde mancherorten zum Anlass genommen, um die Krisenrobustheit der europäischen Gemeinschaftswährung zu betonen. Unter Verweis auf den finanz- und währungspolitischen Zusammenbruch in Ungarn und fallende Kurse von Dollar und Pfund wird verlautbart: Länder, die keinen Euro haben, zahlen drauf; Euroländer profitieren.

Im Fall von Slowenien, das sich aufgrund schwindelerregender Produktivitätsgewinne durchaus eine Hartwährung wie den Euro leisten kann, ohne dadurch die eigenen Exporte zu gefährden und dessen Kapitalmarkt stark von ausländischen Investitionen abhängig ist, mag das sogar stimmen. Daraus aber eine allgemeine Regel zu machen ist aber zumindest mutig. Zwar sind Mut und Innovation in einer Krise sicher wünschenswerte Tugenden, doch werfen wir einmal einen Blick auf die Fakten:

Im Ende November 2008 veröffentlichten Economic Outlook prognostiziert die OECD für die Schweiz (bekanntlich weder Euro-, noch EU-Mitglied) für 2009 eine sinkende Wirtschaftsleistung von - 0.2 %. Gegenüber der Prognose für Österreich (- 0.1 %) ist das ein vernachlässigbarer Unterschied, v.a. wenn man bedenkt, dass die Prognose für Österreich die viertbeste innerhalb der EU-15 ist und die Wirtschaft der Eidgenossen 2010 (+ 1.6 %) um 0.4 % stärker wachsen wird als jene in Österreich (+ 1.2 %).

Noch klarer wird die Angelegenheit, wenn man sich eine andere kleine Volkswirtschaft in Europa ansieht, die weder EU- noch Euromitglied ist: Norwegens Wirtschaft wird 2009 um 1.3 % wachsen, 2010 gar um 1.6 %, nachdem die Wachstumsrate bereits 2008 (+ 2.7 %) weit über dem EU-15-Niveau war.

Eine einfache Recherche, für die nichtmal ein Maturaabschluss nötig wäre, straft also die Mainstreammeinung der gelehrten Ökonomieprofessoren Lügen - der Euro löst keine Probleme!
Gerade für eine kleine Volkswirtschaft ist flexible Geldpolitik heute nötiger denn je - und für eine solche ist Wien eben näher an Österreich, Oslo näher an Norwegen, als es Frankfurt ist.

Auf der Spielwiese der österreichischen Kapital(überschuss)exporte, Ungarn, mag die eigene Währung(spolitik) bei gleichzeitiger Abhängigkeit von internationalen Kapitalströmen tatsächlich negative Effekte gehabt haben. Die heimischen Wirtschaftsdoktoren sollten Österreichs Ökonomie aber eher mit westeuropäischen Volkswirtschaften denn mit deren eigener Sandkiste vergleichen. Dass etwa hierzulande die (marktbasierte) Beschäftigungsquote auch 2009 höher ist als im (viel subsistenzwirtschaftlich geprägteren) Moldawien, mag ein sachlich richtiger Vergleich sein und heimischen Politikern und Wirtschaftsweisen Grund zur Freude geben. Bloß löst das die Probleme von 300.000 Erwerbsarbeitslosen hierzulande nicht!

Freitag, 2. Januar 2009

Mythos Finanzmarktkrise

Günther Sandleben

Die gegenwärtige Krise ist die schwerste seit der Weltwirtschaftskrise von 1929/32 – ihr Ende ist nicht absehbar. Aber sie wird erstaunlich harmlos interpretiert, als Finanzkrise, die nun auf die Realwirtschaft überspringt. Diese Interpretation ist Konsens, im bürgerlichen Lager, aber auch bei einem Großteil der „Linken“.

1. Gemeinsamkeiten in der Interpretation der gegenwärtigen Krise

Hier einige Beispiele für diesen Konsens:

Deutsche Bundesbank: [1] „Wir erleben die schwerste Finanzkrise seit Jahrzehnten. (…) Inzwischen zeigen sich die Auswirkungen der Finanzkrise immer deutlicher auch im realen Sektor.”

Jahresgutachten der „Fünf Weisen”: [2] „Die von der Finanzkrise ausgehenden Schockwellen haben die deutsche Wirtschaft voll erfasst. (…) Bei so gravierenden Schocks im Finanzsystem ist es unvermeidlich, dass auch die Realwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird. … Und schon gar nicht geht es darum vor dem Hintergrund der Finanzkrise die marktwirtschaftliche Ordnung als solche in Frage zu stellen.”

Erklärung des G-20-Treffens in Washington vom November 2008: „Politiker und Überwachungsinstanzen in einigen entwickelten Ländern haben die Risiken nicht richtig eingeschätzt, die in den Finanzmärkten entstanden sind”. Kernpunkt des beschlossenen Maßnahmenpakets ist das Bekenntnis zu einer Regulierung und Überwachung aller Finanzmärkte mit ihren Produkten und Akteuren. Darüber hinaus empfehlen die G-20-Staaten, strengere Regeln für Ratingagenturen, Hedge-Fonds und Banken zu beschließen.

Jörg Huffschmid, Politische Ökonomie der Finanzmärkte [3] „Die vordringlichen Aufgaben einer mittelfristigen Reform der Finanzmärkte bestehen darin, durch ihre vorbeugende Stabilisierung den Ausbruch weiterer Finanzkrisen zu verhindern und darüber hinaus die Unterwerfung der Gesellschaft unter die ‚Herrschaft der Finanzmärkte’ zu beenden, hinter der nicht nur große Finanzkonzerne, sondern ein ganzes Projekt gesellschaftlicher Gegenreform steht. Diese Reform soll den Finanzsektor wieder auf seine wesentliche Aufgabe der externen Finanzierung von Investition und Produktion sowie langfristiger privater Vermögensbildung zurückführen, für die er unentbehrlich ist.”

Joachim Bischoff / Richard Detje [4]…„das Finanzsytem (hat sich) von dem realen Verwertungsprozess des Kapitals entkoppelt…Es kann nicht mehr in Abrede gestellt werden, dass der entfesselte Kapitalismus sich durch die eigene Logik diskreditiert hat. Die Tugenden des verantwortlichen Kaufmann wurden kleingeschrieben, Gier, Überheblichkeit und gesellschaftliche wie nationale Bindungslosigkeit machten das Rennen…Die Dominanz der Finanzmärkte über die Realökonomie muss aufgehoben werden.”

Verdi [5], Finanzkapitalismus„Finanzmärkte und Realwirtschaft laufen auseinander, bis die reale Entwicklung die Finanzmärkte wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. In dem Maße, wie Finanzinvestoren die Märkte dominieren, drehen sie das Anlagen- und Spekulationskarussell immer schneller. Sie können jederzeit in ein Geschäft oder Unternehmen ein und wieder aussteigen - „Exit-Option” - und sich ein anderes Objekt ihrer Begierde suchen. Ein Autohersteller oder eine Softwareunternehmerin können das nicht. Sie sind fest mit ihrem Unternehmen verbunden. … Deshalb muss der finanzmarktgetriebene Kapitalismus ausgebremst werden. Mehr Regulierung und Kontrolle der Finanzmärkte ist notwendig.”

Attac-Erklärung: Das Casino schließen [6] „Die Schockwellen der Finanzkrise haben jetzt die Realwirtschaft erreicht. … Finanzmärkte bilden das Zentrum und die treibende Kraft der neoliberalen Globalisierung. Dies führte dazu, dass der Finanzsektor Dominanz über die übrige Wirtschaft erlangte. … Während früher die Finanzmärkte eine Nachgeordnete und Dienstleistungsrolle gegenüber der Realwirtschaft spielten, hat sich diese Beziehung jetzt umgekehrt. Der Zugriff von „Finanzinteressen” auf die Realwirtschaft erweiterte sich enorm, indem alle wirtschaftlichen Aktivitäten an den Maximalprofiten auf den Finanzmärkten gemessen wurden. … Die Grundorientierung für substantielle Veränderungen muss darauf orientieren die Dominanz der Finanzmärkte über die Realwirtschaft zu brechen.”

Ulrich Schäfer, Wirtschaftschef der Süddeutschen Zeitung [7] …Die größte Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts hat ihren Ursprung im Herzen des Kapitalismus - an den Finanzmärkten.”

Priester Reinhart Marx [8]„Wir erleben seit den neunziger Jahren eine gewisse Abkoppelung der Finanzmärkte von den realwirtschaftlichen Bezügen, die einhergeht mit der politisch gewollten Deregulierung der Finanzmärkte. … So haben wir eine Erfahrung sicher gemacht: dass die Marktwirtschaft besser und tendenziell gerechter ist und dadurch politisch und ökonomisch einem Dirigismus und Kollektivismus vorzuziehen ist.”

All diese Positionen - ob links oder normal bürgerlich - haben vier Gemeinsamkeiten: [9]

* Trennung der Ökonomie in eine Finanzökonomie und in eine Realökonomie (Zwei-Welten-These)
* Finanzökonomie dominiert die Realökonomie (Hegemonie-These)
* Die Finanzökonomie ist wegen unzureichender Regulierungen instabil. Die Realökonomie ist weitgehend stabil. Die Realökonomie wird durch die Krise der Finanzökonomie angesteckt. (Krisen-Mythos)
* Krise lässt sich managen durch fiskalpolitische, geldpolitische und regulatorische Interventionen. (Machbarkeits- und Stabilitätsthese)

2. Kritik der Zwei-Welten-These

Die Vorstellung: Hier Realökonomie dort Finanzökonomie, hier die produzierten Güter, dort das Geld samt der Finanzmärkte, ist eine gedankenlose Absurdität. Es werden Waren produziert. Die Ware hat nicht nur Gebrauchswert, sie hat auch einen Tauschwert, einen Preis nämlich. Der Zusammenhang zum Geld ist von vornherein da.

Marx hat diesen Zusammenhang gleich im ersten Kapitel des Kapitals nachgewiesen. Marx sagt: Hinter dem Tauschwert steht der Wert, hinter dem Wert steht ein historisch spezifischer gesellschaftlicher Charakter der Arbeit. Wäre die Arbeit unmittelbar gesellschaftlich, dann gäbe es keinen Wert. Es gäbe auch kein Geld. Eine Gesellschaft assoziierter Produzenten kennt daher weder Ware noch Geld. Im Kommunismus werden Produkte, keine Waren produziert.

Zurück zur Ware: Der in der Ware eingeschlossene innere Widerspruch von Gebrauchswert und Tauschwert stellt sich dar als äußerer Widerspruch von Ware und Geld. Es gibt also keine getrennte Welten: Hier die Gebrauchswerte, dort das Geld. Das Geld ist der so genannten Realökonomie inhärent. [10]

Der Mythos von den zwei Welten wird genährt durch den Zins. Der Zins ist der Preis für den auf Zeit fortgegebenen Kredit. Der Zins scheint eine Eigenschaft des verliehenen Kapitals selbst zu sein. Das Zeugen von Zins scheint dem zinstragenden Kapital ebenso eigentümlich zu sein, wie das Wachsen der Bäume. Jeglicher Bezug zum gesellschaftlichen Reproduktionsprozess, zur Wertschöpfung, die in der Produktion stattfindet, ist in der Form des Zinses ausgelöscht. Diese Form trägt, wie Marx herausarbeitet, „keine Narben seiner Entstehung mehr. Das gesellschaftliche Verhältnis ist vollendet als Verhältnis eines Dings, des Geldes zu sich selbst.” [11] Marx nennt das zinstragende Kapital wegen des Fetischs, den es produziert, „die Mutter aller verrückten Formen”. [12]

Das Mysterium des Zinseszinses verleitet zu manch fabelhaften Einfällen. Marx zitiert einen Engländer namens Richard Price, der fasziniert vom Zinseszins die Gemüter im ausgehenden 18. Jahrhundert damit beruhigte, der Staat könne gelassen gigantische Schuldentürme aufbauen, denn selbst kleinste Vermögen würden auf längere Sicht kosmische Größenordnungen erreichen.
„1 sh., ausgelegt bei der Geburt unsers Erlösers zu 6 % Zinseszinsen, würde angewachsen sein zu einer größern Summe als das ganze Sonnensystem einbegreifen könnte, wenn in eine Kugel verwandelt von einem Durchmesser gleich dem der Bahn des Saturn.” [13]

Wir müssen keinesfalls in das 19. Jahrhundert zurückgehen. Die Vorstellung von der Verselbständigung des Zinses-Zins-Prozesses begegnet uns auch in der Gegenwart. Nehmen wir die These von der „stagnationsgetriebenen Finanzakkumulation”, vertreten durch Huffschmid. Das Kapital würde wegen fehlender Rendite die Produktionssphäre verlassen, um sich zu höherer Rendite auf den Finanzmärkten zu verwerten. [14] Dahinter steht die Vorstellung, dass die Kapitalverwertung an den Finanzmärkten ein Eigenleben führt, das nicht positiv an die Verwertung des fungierenden Kapitals gebunden ist.

Oder nehmen wir Margrit Kennedy, die den von Marx zitierten Engländer Richard Price wie folgt paraphrasiert:

„Hätte Joseph zur Zeit von Christi Geburt einen Pfennig investiert und wäre dieser von einer Bank mit durchschnittlich 5 Prozent pro Jahr verzinst worden, wäre dieser Pfennig im Jahr 2000 zum damals gültigen Goldpreis etwa 500 Milliarden Kugeln aus Gold vom Gewicht dieser Erde wert gewesen - zum Goldpreis in diesem Jahr. Das zeigt, in Form eines realistischen Symbols: „Geld frisst Welt”. [15] Geblendet vom Zinseszins schreibt sie: „Tatsächlich verhält sich der Zins wie ein Krebs in unserer sozialen Struktur”. Sie sieht im „Zinsmechanismus eine Hauptursache für den pathologischen Wachstumszwang der Wirtschaft mit allen bekannten Folgen der Umweltzerstörung.” [16] Der Zins knechtet also die Wirtschaft!

3. Kritik der Hegemonie-These

Damit bin ich beim zweiten Punkt der Kritik: Der Zins knechtet die Wirtschaft heißt, dass die Finanzökonomie die Realökonomie beherrscht. Verantwortlich für diese Hegemonie soll ein Zinsmechanismus sein, eine Selbstvermehrung des zinstragenden Kapitals. Das zinstragende Kapital erscheint als eine eigenständige Macht, die ihren eigenen Vermehrungsmechanismus der Wirtschaft als Wachstumszwang aufdrücken würde. Zins und zinstragendes Kapital werden nicht hinterfragt, die Voraussetzungen dafür bleiben im Dunkeln. Die Hegemonie-These fällt auf den Zinsfetisch herein.

Im Gegensatz dazu analysierte Marx den Zins und dessen Voraussetzungen. Der von ihm aufgedeckte innere Zusammenhang von Zins und Profit wird ignoriert. Der Zins ist, wie Marx offen gelegt hat, lediglich ein Teil des produzierten Profits. Und der Profit ist Resultat der Ausbeutung der Lohnarbeiter im Produktionsprozess. Die Ausbeutung, also die Mehrwertproduktion, geschieht ganz unabhängig davon, ob eigenes oder geliehenes Kapital verwendet wird. Das Kreditverhältnis selbst, also das Verhältnis von Leihkapitalisten (z. B. Bank) und fungierender Unternehmung, spielt dort gar keine Rolle. Nicht der Zins knechtet die Wirtschaft; weil die Wirtschaft eine kapitalistische ist, existiert der Verwertungszwang, der sich auch im Zins zeigt. Das zinstragende Kapital ist unter die kapitalistische Produktionsweise subsumiert. Es ist die wirkliche Akkumulation, die den Zinseszins möglich macht, und es ist keineswegs umgekehrt, dass die Zinsen einen kapitalistischen Akkumulationsprozess erzwingen würden.

Die Hegemonie-These speist sich noch durch eine weitere Vorstellung. Marx sagte ja, dass das zinstragende Kapital die Mutter aller verrückten Formen sei. Zu diesen Formen gehören die Wertpapiere. Dazu zählen Aktien und Anleihen. In der Aktie findet das Kapital eine zweite Gestalt, die neben dem wirklichen Kapital existiert. Gleiches gilt für die Unternehmensanleihe. Demgegenüber liegt den Staatsanleihen kein Kapital zugrunde. Hier erscheint eine Staatsschuld positiv als Kapital. Gleiches gilt für verbriefte Konsumentenkredite. Die zirkulierenden Schuldtitel scheinen Kapital zu sein, obgleich der verliehene Wert durch Verbrauch der dafür gekauften Konsumgüter bereits untergegangen sein mag.

Solche Wertpapiere gehören nach Marx zum „fiktiven Kapital”. Sie entstehen durch die Bedürfnisse des Reproduktionsprozesses bzw. durch das Bedürfnis des Staates. Sie werden an den Finanzmärkten gehandelt. Sie bilden den Kern der Finanzmärkte und die Grundlage für weitere Formen (u. a. Derivate), auf die ich hier nicht eingehen kann. Die These vom „finanzmarktgetriebenen Kapitalismus” oder von der „Dominanz der Finanzmärkte” hat genau diese Finanzmärkte im Blick. Sie besagt, dass die Finanzmärkte einen „disziplinierenden Druck” auf die Wirtschaft ausüben. Oder wenn es nicht die Finanzmärkte selbst sind, dann sind es die Eigentümer des fiktiven Kapitals, die angeblich die Unternehmen zu etwas zwingen, was sie gar nicht wollen. „Viele führende Unternehmen”, schreibt z. B. Huffschmid, „sind den Ansprüchen ihrer Aktionäre, der Investment- und Pensionsfonds ausgesetzt, die verlangen, dass ‚ihre’ Unternehmen Quartal für Quartal steigende Gewinne ausweisen”. [17] An anderer Stelle spricht er von der „Unterwerfung der Gesellschaft unter die ‚Herrschaft der Finanzmärkte’”. [18] Aber welcher Druck, welche Art Herrschaft kann durch den Besitz der Wertpapiere überhaupt ausgeübt werden?

Betrachten wir kurz den Charakter der Wertpapiere: Der Besitzer einer Industrie-Anleihe steht jenseits des fungierenden Industrie-Kapitals. Er hat sein Geld gegen Zins und Rückzahlungsversprechen als Kapital fortgegeben und verfügt lediglich über ein Wertpapier, das seine Ansprüche dokumentiert. Als Eigentümer des Wertpapiers steht er jenseits des wirklichen Produktionsprozesses; er verhält sich passiv dazu. Es ist unmöglich, dass er mittels seiner Industrie-Anleihe irgendeine Herrschaft über die wirkliche Produktion ausübt.
Besitzt er eine Aktie, dann verhält es sich im Großen und Ganzen ähnlich. Lediglich als Hauptaktionär hat er Einfluss auf die Geschäftsführung. Aber auch dann steht er außerhalb des operativen Geschäfts. Wie auch immer die Geschäftsführung formal durch die Gremien der Aktiengesellschaft bestellt wird, sie ist in jedem Fall bloßer Funktionär des Kapitals, das sie verwaltet. Würde sie ihre Funktion vernachlässigen, dann würde sie schon durch die Konkurrenz abgestraft, ohne dass es des Mehrheitsaktionärs bedürfte.

Marx hat diesen Zwang der Konkurrenz folgendermaßen formuliert:

„Die freie Konkurrenz macht die immanenten Gesetze der kapitalistischen Konkurrenz dem einzelnen Kapitalisten gegenüber als äußerliches Zwangsgesetz geltend.” [19]
Und diese Zwangsgesetze der Konkurrenz kommen „als treibende Motive dem individuellen Kapitalisten zum Bewusstsein”. [20]

Als kapitalistischer Funktionär ist die Geschäftsführung nur subjektiver Träger der Kapitalbewegung. Was der Mehrheitsaktionär lediglich kann, ist darauf zu achten, dass die Geschäftsführung diesen Job gut macht, das heißt den Erfordernissen der Konkurrenz gerecht wird. Und es ist diese Konkurrenz, welche die immanenten Gesetze des Kapitals vollzieht. Der Mehrheitsaktionär kann also nicht mehr sein als ein Wächter, der über eine Sache wacht, ohne sie selbst in die Welt gesetzt zu haben. Er trägt also nicht den Verwertungszwang in die Ökonomie, selbst wenn er davon profitiert.

Der Eigentümer von Staatsanleihen verhält sich in dieser Eigenschaft nicht nur passiv gegenüber dem wirklichen Produktionsprozess, er besitzt einen Schuldtitel, der in keinem direkten Zusammenhang zum Reproduktionsprozess steht. Ähnliches gilt für Titel, die auf Konsumentenkredite bezogen sind (verbriefte Kreditkarten-Schulden, Autokredite, Hau-Immobilien-Kredite).

Man sieht also, dass die Eigentümer der Wertpapiere keine Macht über den Reproduktionsprozess ausüben. Sie sind nicht die Beherrscher der Welt. Auch die Finanzmärkte sind es nicht. Steigen oder fallen die Wertpapierkurse, dann ändert sich nichts an dem Schuldverhältnis, das im Wertpapier ausgedrückt wird. Steigen die Aktienkurse, dann gewinnen die Eigentümer von Aktien, aber sie üben dadurch keine größere Macht über die Aktiengesellschaft aus. Das Steigen der Aktienkurse hat wiederum Voraussetzungen, die letztendlich durch den wirklichen Reproduktionsprozess gesetzt werden.

4. Kritik der finanzmarktbezogenen Krisentheorie

„Die Oberflächlichkeit der politischen Ökonomie zeigt sich u. a. darin, dass sie die Expansion und Kontraktion des Kredits, das bloße Symptom der Wechselperioden des industriellen Zyklus, zu deren Ursache macht.” [21]

Ebenso verhält es sich in der finanzmarktbezogenen Krisendeutung. Die starke Expansion im Bereich der Immobilienkredite und anderer Kredite werden zur Ursache der Krise gemacht. Warum kommt es zu dieser oberflächlichen Krisendeutung? Erstens ist die Finanzkrise eine besonders auffällige Erscheinung, also leicht zu thematisieren. Zweitens ist eine oberflächliche Kritik erforderlich, um das kapitalistische System als Ganzes nicht auf die Anklagebank zu setzen. Und drittens benötigt die Wirtschaftspolitik als Legitimationsgrundlage eine plausible Begründung, die sich den Anschein von Wissenschaft gibt, um dann in diesem Experten-Gewand als allgemeine Autorität anerkannt zu werden.

Folgende Einwände möchte ich gegen die finanzmarktbezogene Interpretation der heutigen Krise vorbringen:

* Die finanzmarktbezogene Krisendeutung stellt die Einmaligkeit der Krise heraus. Eine solche Vorstellung ist nicht plausibel, da Krisen regelmäßig in der Geschichte des Kapitalismus auftreten. Diese Regelmäßigkeit legt nahe, die Ursachen der Krise im Kapitalismus selbst zu suchen.
* Die finanzmarktbezogene Krisendeutung enthält die Vorstellung von der Realökonomie. Produkte kommen dort zur Welt ohne Tauschwert. Wie gezeigt, ist dies eine falsche Vorstellung. In einer solch fiktiven ökonomischen Welt, die aus einer Anhäufung von Produkten besteht, kann es natürlich auch keine Widersprüche und Gegensätze geben.
* Die bürgerliche Volkswirtschaftslehre verteidigt hartnäckig das Dogma, wonach jedes Angebot automatisch seine Nachfrage erzeugt. Oder, wie ein Franzose Namens Say formulierte: „Produkte werden stets gekauft durch Produkte oder durch Dienste; Geld ist nur das Medium, wodurch der Austausch bewirkt wird”. Marx hat das „Saysche Gekohl” bereits kritisiert: „Hier wird also erstens Ware, in der der Gegensatz von Tauschwert und Gebrauchswert existiert, in bloßes Produkt (Gebrauchswert) und daher der Austausch von Waren in bloßen Tauschhandel … verwandelt. Es wird nicht nur hinter die kapitalistische Produktion, sondern sogar hinter die bloße Warenproduktion zurückgegangen.” [22] Im Gegensatz zu Say sah Marx im Warentausch bereits die allgemeine Möglichkeit der Krise. Wenn aber jedes Angebot seine Nachfrage schafft, dann sind Überproduktionskrisen unmöglich. Und wenn diese dennoch auftreten, so müssen externe Gründe, wie äußere Erschütterungen, herangezogen werden. Diesmal sollen es die Finanzmärkte sein, davor war es die Internet-Blase, davor schob man die Krise auf die schwierige Übernahme der neuen Bundesländer und 1974/75 bzw. 1980/1982 sollen Ölpreisschocks die Krisen verursacht haben [23].
* Die Reproduktion des Kapitals samt der darin enthaltenen Momente der Krise werden nicht thematisiert. Im Unterschied zur Marxschen Krisentheorie spielt beispielsweise der Umschlag des fixen Kapitals als materielle Grundlage für die Periodizität der Krisen keine Rolle.
* Die „Kreditblasen” werden nicht aus dem Akkumulationsprozess heraus erklärt. Äußere Umstände werden zu deren Deutung herangezogen: Etwa ein Fehlverhalten in der Zinspolitik, Fehler in der Kreditvergabepolitik der Banken, ein Versagen von Kontrollorganen, die persönliche Gier von Bankern, Vermittlern, Versicherer etc.
* Die Kreditexpansion, so meine These, ist Resultat erstens des vorangegangenen konjunkturellen Aufschwungs und zweitens Resultat einer längerfristigen Expansionswelle im Bereich der Akkumulation. Diese setzte in den 80er Jahren ein. Es war ein kreditfinanzierter Nachfragesog, der zur Expansion führte. Die längerfristige Sturm- und Drangperiode des Kapitals wurde getragen von neuen geografischen Anlagesphären des Kapitals (China, Mittelosteuropa, Industriealisierungsversuche in den Golfstaaten) und durch neue bzw. technologisch stark veränderte Wirtschaftszweige (Computer-, Informations- und Kommunikationstechnologie, der Energieerzeugung (solare Energie, Windenergie), Biotechnologie). Größere Weltmarktkrisen hat es in dieser Phase tendenziell höherer Nachfrage nicht gegeben.
* Die Großprojekte sind mittlerweile weitgehend abgeschlossen, der Nachfragesog lässt nach. Das in den neuen Produktionsanlagen enthaltene fixe Kapital wird nun in Höhe der Abschreibungen ein Bestandteil des Warenangebots, ohne gleichzeitig Bestandteil der Nachfrage zu sein. Vielmehr ging die Nachfrage nach den Produktionsanlagen dem jetzt auf den Markt tretenden Angebot voraus. Der Markt bleibt hinter der steigenden Produktion zurück, mit der Folge, dass die Sturm- und Drangperioden des Kapitals in eine länger anhaltende Periode verlangsamter und instabiler Akkumulation übergehen.
* Die Krise besteht in einer Kombination aus konjunkturell-zyklischer Krise und eines Umschlags im längerfristigen Akkumulationstempo. Sie wird länger anhalten. Nach der Bankenpleite kommt bald die Pleite in der Industrie, der eine Staatspleite folgen könnte. [24]

5. Kritik des Machbarkeits- und Stabilitätsmythos

„Wenn es, wie in dieser Prognose unterstellt, in den nächsten Monaten gelingt, den Bankensektor zu stabilisieren, dürfte sich ab Mitte 2009 die Weltkonjunktur allmählich erholen.” (Herbstgutachten) Der Kapitalismus, so wird gesagt, ist stabil; und wenn er dennoch durch äußere Umstände erschüttert wird, dann besitzt der Staat genügend Möglichkeiten, die Stabilität rasch wieder herzustellen. Daraus folgt: Die heutige Gesellschaft, also Staat und Wirtschaft zusammen genommen, ist eine stabile Angelegenheit; eine Alternative dazu gibt es nicht und braucht es auch nicht zu geben. Das ist der Machbarkeits- und Stabilitätsmythos der bürgerlichen Welt.

Schon die regelmäßige Wiederholung der Krisen steht diesem Mythos entgegen. Würde der Staat tatsächlich solche Steuerungskapazitäten besitzen, warum hat er dann nicht schon längst die Krisen ausgemerzt? Offenbar gibt es Schranken seiner Handlungsmöglichkeiten.
Regierungen und Notenbanken übernehmen zurzeit ein Großteil der Risiken, die in der privaten Wirtschaft entstanden sind. Damit sind aber die Risiken nicht aus der Welt geschafft. Sie bleiben im Gesamtsystem, nur dass der Staat die Risiken zu seinen eigenen macht. Die staatlich abgewendeten Pleiten von Privatunternehmen bilden Momente seiner eigenen künftigen Pleite. Durch die Übernahme von „toxischen Wertpapieren” gelangt das Gift zur Notenbank. Diese wird mehr und mehr zu einer „Bad Bank”. In dem Maße, wie sie ihr Vertrauen einbüßt, vernichtet sie das Vertrauen in die Währung, die von ihr selbst herausgegeben wird. Eine Währungsreform ist möglich.

Auf der anderen Seite büßen die Staaten Kreditwürdigkeit durch die sprunghaft wachsende Neuverschuldung und durch die krisenbedingte Schwächung ihrer Steuerkraft ein. Für sie besteht die Gefahr, dass sie kein frisches Geld zur Begleichung ihres Schuldendienstes erhalten. Bankrotte selbst größerer Staaten sind möglich.

6. Fazit

Die Krise ist keine bloße Finanzkrise sondern eine Krise des gesamten kapitalistischen Systems. Es ist heute wie zu Marxens Zeiten: „Die Weltmarktkrisen müssen als die reale Zusammenfassung und gewaltsame Ausgleichung aller Widersprüche der bürgerlichen Ökonomie gefasst werden.” [25] Die gängige Interpretation der Krise als Finanzmarktkrise macht eine Erscheinungsweise der Krise zur Ursache. Sie ist oberflächlich. Sie beschönigt den Kapitalismus. Sie ignoriert die Widersprüche und Gegensätze der kapitalistischen Produktion. Sie verfabelt die wirkliche Reproduktion in eine Realökonomie, die krisenfrei sein soll und der dann die Finanzmärkte als Quelle der Krise äußerlich gegenüberstehen. Sie produziert die Illusion, als ließen sich durch bloße Manipulationen der Finanzmärkte und durch staatliche Interventionen die Krisen aus der Welt räumen. Jedoch könnte das staatliche Krisenmanagement die Staaten selbst in den finanziellen Ruin treiben. Indem Notenbanken und die Regierungen durch massive Eingriffe Pleiten verhindern, machen sie die staatlich abgewendeten Pleiten von Privatunternehmen zu Momenten ihrer eigenen Pleite.
Der Kapitalismus durchläuft eine Phase schwerwiegender Erschütterungen. In dieser Krise werden Produktivkräfte massenhaft vernichtet. Ein Zusammenbruch des kapitalistischen Systems ist möglich. Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse müssen verändert werden. Der Sozialismus als Alternative steht auf der Tagesordnung.

Anmerkungen:

[1] Vortrag von Prof. Dr. Hermann Remsperger, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, vom 10.12.2008
[2] Veröffentlicht am 12.11.2008.http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/gutacht/ga-content.php?gaid=53)
[3] Jörg Huffschmid, Politische Ökonomie der Finanzmärkte, Hamburg 2002, S. 201f
[4] Joachim Bischoff / Richard Detje: Ende des Wallstreet-Dollar-Regimes, in: Sozialismus 10/2008
[5] Ver.di: Finanzkapitalismus. Geldgier in Reinkultur! Oktober 2007
[6] Attac-Erklärung: Die Zeit ist reif: Das Casino schließen, September 2008
[7] Ulrich Schäfer, Der Crash des Kapitalismus. Warum die entfesselte Marktwirtschaft scheiterte. Frankfurt/New York 2008, S. 13
[8] Interview in der FAZ vom 23.12.2008
[9] Der klassische Begriff vom Finanzkapital, der von Rudolf Hilferding wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg entwickelt und dann über Lenin und Bucharin in die Imperialismusdiskussion gebracht worden war, enthält bereits weitgehend die ersten drei der hier genannten Gemeinsamkeiten. Vergleiche dazu Guenther Sandleben, Nationalökonomie & Staat. Zur Kritik der Theorie des Finanzkapitals, Hamburg 2003
[10] Eine Zwei-Welten-Theorie vertrat bereits die Klassik, wenn sie das Gesetz der Absatzwege (Saysches Theorem) oder die Quantitätstheorie des Geldes formulierte.
[11] Marx, MEW 25, S. 405
[12] Marx, MEW 25, S. 483
[13] Marx, MEW 25, S. 408
[14] „Die Hauptthese dieses Kapitels ist, dass die treibende Kraft der Finanzmärkte der Übergang von der Investitionsfinanzierung zum Finanzinvestment ist”. (Huffschmid (2002), S. 38) „Die Ablösung der Investionsfinanzierung durch das Finanzinvestment als treibende Kraft bei der Entwicklung der Finanzmärkte führt zu einer Entkoppelung der Zeithorizonte zwischen stofflichen Akkumulations- und Produktikonsprozesse auf der einen und Kapitgalverwertung auf der anderen Seite.” (Huffschmid (2002), S. 22f) Hinter der These von der „stagnationsgetriebenen Finanzakkumulation” steht die Vorstellung, dass die Kapitalverwertung an den Finanzmärkten ein Eigenleben führt, das nicht positiv an die Verwertung des fungierenden Kapitals gebunden ist. Auch wird nicht gesehen, dass zwar Einzelkapitale von einem Sektor in den nächsten wandern können, dass dies jedoch nicht das Gesamtkapital kann.[15] Margrit Kennedy, Geld regiert die Welt. Doch wer regiert das Geld? http://www.margritkennedy.de/pdf/ART_FNW_01_2008_GeldRegiertDieWelt.pdf
[16] Margrit Kennedy, Geld ohne Zinsen und Inflation. Ein Tauschmittel, das jedem dient, 2006, S. 22 u. 27
[17] Huffschmid, a. a. O., S. 13
[18] Huffschmid, a. a. O., S. 201f
[19] Marx, MEW 23, S. 286
[20] Marx, MEW 23, S. 335
[21] Marx, MEW 23, S. 662
[22]Theorien, MEW 26.2., S. 501f
[23] Das Dogma von der Harmonie und Stabilität des Marktsektors kennt keine Funktionsmängel des marktwirtschaftlichen Systems, keine Widersprüche, die der Markt aus sich selbst heraus erzeugt und die dann zu Krisen führen. Die Krise wird als Fehlverhalten gedeutet: „Wenn es darum geht, Verantwortlichkeiten auszumachen, gehen Schuldzuweisungen in diesem Zusammenhang an die Geldpolitik, an die staatliche Aufsicht über das Finanzsystem, an die Rating-Agenturen und an andere Entscheidungsträger auf den Finanzmärkten. In den Vereinigten Staaten hat eine expansive Geldpolitik das Aufblähen einer Immobilienblase gefördert, und die Wirtschaftspolitik hat die Kreditwirtschaft ermuntert, im Interesse höherer Wohneigentumsquoten Hypothekendarlehen selbst an Personen mit unzureichender Bonität zu vergeben. So hat die Aufsicht Forderungen nach Deregulierungen mitunter leichtfertig nachgegeben.Auch Bankmanager sind nicht frei von einer Verantwortung. Sie haben eine der Grundregeln der Finanzmärkte, dass sehr hohe Renditen nur unter Inkaufnahme sehr hoher Risiken zu erzielen sind, zu wenig Beachtung geschenkt und sich zu sehr auf die Bewertungen der Rating-Agenturen verlassen. Sicherlich haben einige Vergütungssysteme das kurzfristig orientierte Handeln der Bankmanager unterstützt, wenn nicht sogar herausgefordert. Insoweit tragen die Aufsichtsräte eine Mitschuld.” (Jahresgutachten: 2008/09 “Die Finanzkrise meistern - Wachstumskräfte stärken”.
[24]Vergleiche Guenther Sandleben, Abschwung oder Absturz? Wir stehen vor einer schweren Weltwirtschaftskrise, in: Sozialismus 9/2008; derselbe: Die große Krise von 2008. Ursachen, staatliches Krisenmanagement, Folgen, in: http://www.proletarische-briefe.de/?p=113[25] Marx, MEW 26.2., S. 510

Aus: Kalaschnikow, 02.01.2009

Debatte: Krise - was nun?

Renate Münder

Maßnahmen gegen die „Finanzkrise" - Welche Forderungen sind sinnvoll?

Angesichts der Finanzkrise und aus Angst um ihre Sparguthaben fordern jetzt immer mehr Menschen die Verstaatlichung der Banken. Die DKP fordert „Überführung der Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle" [1]. Die Erklärung des Sekretariats spricht denn auch von „Vergesellschaftung" statt von Verstaatlichung. Es sollen „in allen Finanzinstituten und Versicherungen Vertreter der Belegschaften, Gewerkschaften, demokratische (n) Vereine, Verbände und Initiativen sowie demokratische Persönlichkeiten zur Kontrolle und Beaufsichtigung der Geschäfte eingesetzt werden" [2].

Das aber wäre nichts anderes als die Entmachtung des Finanzkapitals. Wer soll das denn derzeit durchsetzen? Dazu müsste mindestens schon ein Klassengleichgewicht zwischen Bourgeoisie und Proletariat bestehen, womit die Bourgeoisie bereits sehr geschwächt wäre. Dauerhaft ist demokratische Kontrolle erst nach Abschaffung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse möglich, wenn das Proletariat die politische Macht übernommen hat. Die Stimmung in der Bevölkerung ist für Verstaatlichung [3]. Wir aber sollten nicht dazu beitragen, Illusionen über den Klassencharakter des Staats zu bestärken.

Propaganda für den Sozialismus

Deshalb ist es notwendig, deutlich auszusprechen, dass nur in einer sozialistischen Gesellschaftsordnung das Problem der Krisen überwunden werden kann. Ja, es ist unbedingt nötig - neben Forderungen gegen die Abwälzung der Krise auf die Arbeiterklasse - die sozialistische Perspektive aufzuzeigen. Denn die augenblicklichen Abwehrkämpfe sind nur mit der Perspektive einer anderen Gesellschaft zu eröffnen und durchzuhalten. Wer den Kapitalismus als Ende der Geschichte akzeptiert hat, wird selbst tagespolitische Kämpfe schon mit Verzichtsgedanken im Kopf führen, wird sich arrangieren, wie wir das jetzt wieder beim Tarifabschluss der IG Metall erlebt haben. Und wann, wenn nicht jetzt - wo es die Spatzen von den Dächern schreien, dass der Kapitalismus in der Krise steckt - sollen wir die Notwendigkeit und Machbarkeit des Sozialismus propagieren? Innerhalb des Kapitalismus sind Krisen nicht zu verhindern, erst im Sozialismus wird das möglich sein.

Konjunkturprogramm?

Natürlich müssen wir auch konkrete Forderungen für die Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse aufstellen, gegen die Abwälzung der Krise auf die Arbeiterklasse Stellung nehmen und mobilisieren.

Das bedeutet aber nicht, die Forderung nach Konjunkturprogrammen aufzustellen, wo es doch um das Gemeinwohl geht, die aber meist der Industrie zugute kommen oder sogar Aufrüstung bedeuten können. Es geht nicht um die Rettung des Kapitalismus. Das können und wollen wir nicht! Auch wenn es um Zehntausende von Arbeitsplätzen, zum Beispiel bei Opel geht, kann es nicht unsere Aufgabe sein, im Konkurrenzkampf der Autoindustrie Partei zu ergreifen. Krise bedeutet immer auch Marktbereinigung und Neuaufteilung. Und schließlich würden dann alle Autokonzerne nach Subventionen aus Steuergeldern rufen.

Das bedeutet auch nicht, Forderungen nach Verbesserung der Binnennachfrage oder der Stärkung der Massenkaufkraft zu stellen. Kein Gebettel um eine andere Wirtschaftspolitik (Nachfragepolitik)! Noch mal: Es geht nicht um die Rettung des Kapitalismus. Die Kapitalisten sind bisher sehr gut damit gefahren, nur an ihre eigenen Interessen zu denken. Sie verhalten sich klassenbewusst - wir sollten es ihnen gleich tun. Die Banken haben nur nach der Logik des Kapitalismus gehandelt und die heißt: Alles, was Profit bringt, ist erlaubt. Es gibt hier kein gemeinsames Interesse zwischen Proletariat und Bourgeoisie in einem imperialistischen Land.

Regulierung?

Deshalb sollten wir auch keine Forderungen nach besserer Regulierung des Finanzsystems stellen. Sie lenken von der Klassenfrage ab. Man kann zudem zwischen braven Kapitalisten, die Arbeitsplätze schaffen, und üblen Spekulanten nicht unterscheiden; eine Trennung zwischen ihnen gibt es nicht; die meisten Kapitalisten legen ihr Kapital sowieso in beiden Sphären an. Wir dürfen der Demagogie vom „raffenden und schaffenden Kapital" nicht in die Hände arbeiten. Und deshalb sind auch solche Forderungen nach „demokratischer Kontrolle" der Finanzmärkte, nach der so genannten Tobin-Steuer, nach dem Verbot bestimmter spekulativer Geschäfte nicht von uns zu stellen. Denn sie verbreiten die Illusion, es gäbe einen sauberen, geordneten Kapitalismus, einen Kapitalismus, in dem man sich einrichten könne. Fiktives Kapital (z. B. Aktien) und Börsen gehören zum Kapitalismus, sie sind für ihn notwendig. Sie können nur durch die revolutionäre Beseitigung des Kapitalismus insgesamt abgeschafft werden.

Deshalb geht es allein darum, Forderungen zu entwickeln, die den Kampf der Arbeiterklasse für ihre eigenen Interessen fördern. Forderungen nach dem, was die Arbeiterklasse braucht, um ihr Leben erträglicher zu machen und mit dem Ziel, den Kapitalisten mehr vom Profit abzuringen. Also hohe Lohnerhöhungen, weil wir sie brauchen. Runter mit dem Rentenalter, weg mit Hartz IV, Geld für die sozialen Sicherungssysteme usw. Keine Entlassungen, sondern Arbeitszeitverkürzung. Und natürlich auch: die Verursacher sollen zur Kasse gebeten werden, Millionärssteuer etc. Die Reichen sollen zahlen!

Dabei geht es nicht um das Kapital allgemein - es geht um den Kampf gegen die deutschen Monopole, gegen den deutschen Imperialismus. Der Hauptfeind steht im eigenen Land.

Wie durchsetzen?

Bei den meisten Erklärungen, sei es von Attac, PdL oder DKP, fehlt die Problematik der Durchsetzung. Nur wenn wir der Arbeiterklasse immer wieder vermitteln, dass diese Forderungen ohne den (politischen) Streik leere Worte bleiben, werden wir glaubwürdig und befördern nicht die Illusion, mit Wahlen sei der Kampf gegen die Reaktion zu gewinnen. Nur mit Kampf und Widerstand wird die Arbeiterklasse die Abwälzung der Krisenlasten erfolgreich bekämpfen können und in diesen Kämpfen neue Perspektiven gewinnen.

1] DKP info, Flugblatt der DKP vom November 2008
2] ebenda
3] Umfrage zu Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, Spiegel online, 4.11.2008

Aus: Theorie und Praxis, 16/2008