Freitag, 2. Januar 2009

Debatte: Krise - was nun?

Renate Münder

Maßnahmen gegen die „Finanzkrise" - Welche Forderungen sind sinnvoll?

Angesichts der Finanzkrise und aus Angst um ihre Sparguthaben fordern jetzt immer mehr Menschen die Verstaatlichung der Banken. Die DKP fordert „Überführung der Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle" [1]. Die Erklärung des Sekretariats spricht denn auch von „Vergesellschaftung" statt von Verstaatlichung. Es sollen „in allen Finanzinstituten und Versicherungen Vertreter der Belegschaften, Gewerkschaften, demokratische (n) Vereine, Verbände und Initiativen sowie demokratische Persönlichkeiten zur Kontrolle und Beaufsichtigung der Geschäfte eingesetzt werden" [2].

Das aber wäre nichts anderes als die Entmachtung des Finanzkapitals. Wer soll das denn derzeit durchsetzen? Dazu müsste mindestens schon ein Klassengleichgewicht zwischen Bourgeoisie und Proletariat bestehen, womit die Bourgeoisie bereits sehr geschwächt wäre. Dauerhaft ist demokratische Kontrolle erst nach Abschaffung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse möglich, wenn das Proletariat die politische Macht übernommen hat. Die Stimmung in der Bevölkerung ist für Verstaatlichung [3]. Wir aber sollten nicht dazu beitragen, Illusionen über den Klassencharakter des Staats zu bestärken.

Propaganda für den Sozialismus

Deshalb ist es notwendig, deutlich auszusprechen, dass nur in einer sozialistischen Gesellschaftsordnung das Problem der Krisen überwunden werden kann. Ja, es ist unbedingt nötig - neben Forderungen gegen die Abwälzung der Krise auf die Arbeiterklasse - die sozialistische Perspektive aufzuzeigen. Denn die augenblicklichen Abwehrkämpfe sind nur mit der Perspektive einer anderen Gesellschaft zu eröffnen und durchzuhalten. Wer den Kapitalismus als Ende der Geschichte akzeptiert hat, wird selbst tagespolitische Kämpfe schon mit Verzichtsgedanken im Kopf führen, wird sich arrangieren, wie wir das jetzt wieder beim Tarifabschluss der IG Metall erlebt haben. Und wann, wenn nicht jetzt - wo es die Spatzen von den Dächern schreien, dass der Kapitalismus in der Krise steckt - sollen wir die Notwendigkeit und Machbarkeit des Sozialismus propagieren? Innerhalb des Kapitalismus sind Krisen nicht zu verhindern, erst im Sozialismus wird das möglich sein.

Konjunkturprogramm?

Natürlich müssen wir auch konkrete Forderungen für die Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse aufstellen, gegen die Abwälzung der Krise auf die Arbeiterklasse Stellung nehmen und mobilisieren.

Das bedeutet aber nicht, die Forderung nach Konjunkturprogrammen aufzustellen, wo es doch um das Gemeinwohl geht, die aber meist der Industrie zugute kommen oder sogar Aufrüstung bedeuten können. Es geht nicht um die Rettung des Kapitalismus. Das können und wollen wir nicht! Auch wenn es um Zehntausende von Arbeitsplätzen, zum Beispiel bei Opel geht, kann es nicht unsere Aufgabe sein, im Konkurrenzkampf der Autoindustrie Partei zu ergreifen. Krise bedeutet immer auch Marktbereinigung und Neuaufteilung. Und schließlich würden dann alle Autokonzerne nach Subventionen aus Steuergeldern rufen.

Das bedeutet auch nicht, Forderungen nach Verbesserung der Binnennachfrage oder der Stärkung der Massenkaufkraft zu stellen. Kein Gebettel um eine andere Wirtschaftspolitik (Nachfragepolitik)! Noch mal: Es geht nicht um die Rettung des Kapitalismus. Die Kapitalisten sind bisher sehr gut damit gefahren, nur an ihre eigenen Interessen zu denken. Sie verhalten sich klassenbewusst - wir sollten es ihnen gleich tun. Die Banken haben nur nach der Logik des Kapitalismus gehandelt und die heißt: Alles, was Profit bringt, ist erlaubt. Es gibt hier kein gemeinsames Interesse zwischen Proletariat und Bourgeoisie in einem imperialistischen Land.

Regulierung?

Deshalb sollten wir auch keine Forderungen nach besserer Regulierung des Finanzsystems stellen. Sie lenken von der Klassenfrage ab. Man kann zudem zwischen braven Kapitalisten, die Arbeitsplätze schaffen, und üblen Spekulanten nicht unterscheiden; eine Trennung zwischen ihnen gibt es nicht; die meisten Kapitalisten legen ihr Kapital sowieso in beiden Sphären an. Wir dürfen der Demagogie vom „raffenden und schaffenden Kapital" nicht in die Hände arbeiten. Und deshalb sind auch solche Forderungen nach „demokratischer Kontrolle" der Finanzmärkte, nach der so genannten Tobin-Steuer, nach dem Verbot bestimmter spekulativer Geschäfte nicht von uns zu stellen. Denn sie verbreiten die Illusion, es gäbe einen sauberen, geordneten Kapitalismus, einen Kapitalismus, in dem man sich einrichten könne. Fiktives Kapital (z. B. Aktien) und Börsen gehören zum Kapitalismus, sie sind für ihn notwendig. Sie können nur durch die revolutionäre Beseitigung des Kapitalismus insgesamt abgeschafft werden.

Deshalb geht es allein darum, Forderungen zu entwickeln, die den Kampf der Arbeiterklasse für ihre eigenen Interessen fördern. Forderungen nach dem, was die Arbeiterklasse braucht, um ihr Leben erträglicher zu machen und mit dem Ziel, den Kapitalisten mehr vom Profit abzuringen. Also hohe Lohnerhöhungen, weil wir sie brauchen. Runter mit dem Rentenalter, weg mit Hartz IV, Geld für die sozialen Sicherungssysteme usw. Keine Entlassungen, sondern Arbeitszeitverkürzung. Und natürlich auch: die Verursacher sollen zur Kasse gebeten werden, Millionärssteuer etc. Die Reichen sollen zahlen!

Dabei geht es nicht um das Kapital allgemein - es geht um den Kampf gegen die deutschen Monopole, gegen den deutschen Imperialismus. Der Hauptfeind steht im eigenen Land.

Wie durchsetzen?

Bei den meisten Erklärungen, sei es von Attac, PdL oder DKP, fehlt die Problematik der Durchsetzung. Nur wenn wir der Arbeiterklasse immer wieder vermitteln, dass diese Forderungen ohne den (politischen) Streik leere Worte bleiben, werden wir glaubwürdig und befördern nicht die Illusion, mit Wahlen sei der Kampf gegen die Reaktion zu gewinnen. Nur mit Kampf und Widerstand wird die Arbeiterklasse die Abwälzung der Krisenlasten erfolgreich bekämpfen können und in diesen Kämpfen neue Perspektiven gewinnen.

1] DKP info, Flugblatt der DKP vom November 2008
2] ebenda
3] Umfrage zu Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, Spiegel online, 4.11.2008

Aus: Theorie und Praxis, 16/2008

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