Mit wenigen Ausnahmen dürften Veranstaltungen zur Finanzkrise das Schicksal haben, dass sie ihrem Titel kaum gerecht werden. So auch am Donnerstag beim Gesellschaftspolitischen Diskussionsforum von AK-Wien und VÖGB, wo der Kapitalismus keinesfalls infrage gestellt wurde.
Dennoch wurden qualitativ hochwertige Referate geboten. WU-Professorin Özlem Onaran begann ihr Eingangsreferat mit Ursachen der Finanzkrise. Sie hob dabei Deregulierung, die politische Prioritätensetzung "Inflationsbekämpfung statt Vollbeschäftigung" sowie die zunehmend ungleicher werdende Einkommensverteilung (sinkende Lohnquote, aber auch innerhalb der Unselbständigen) hervor. Ferner erwähnte sie das schuldengetriebene Konsumwachstum, die Dividendenausschüttungspolitik und globale Ungleichheiten (US-Leistungsbilanz) als Gründe.
Als wesentliche Auswirkung erwähnte sie, dass es durch die derzeitige Kreditknappheit zu einem Produktionsrückgang komme. Das führe zu Kündigungen, Kurzarbeit sowie Konsum- und Investitionszurückhaltung. Die infolgedessen schrumpfenden Exportmärkte stellen v.a. für Österreich ein Problem dar. Die Exportorientierung und damit einhergehende Niedriglohnstrategie erweise sich nun als Fluch, da hohe Löhne für die Nachfrage wichtig wären.
Dann ging Onaran auf den weiteren Verlauf der Krise ein, wobei sie einen U-förmigen Verlauf (18 - 24 monatige Krise) als eher optimistisch einschätzte und mehr von einem L-förmigen Verlauf ausgehe, der schlimmer sein werde als in Japan. Es sei nämlich nicht absehbar, woher ein Aufschwung kommen solle. Die negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wären anhaltend, selbst das WIFO geht bis 2012 nicht von einer Erholung aus. Gleichzeitig gäbe es auch regionale Unterschiede: so sei etwa die steirische Auto(zulieferer)industrie besonders betroffen.
Die Verzinsung österreichischer Staatsanleihen sei wegen des Ost-Risikos gestiegen. In den osteuropäischen Ländernwerde die Währungsabwertung nun zu negativen Auswirkungen führen, weil diese sehr importabhängig wären.
Sozialwissenschafter Joachim Bischoff stieß argumentativ in ein ähnliches Horn: Die Kluft zwischen zurückbleibenden Masseneinkommen und Produktionskapazität wurde durch Schulden geschlossen. Zunächst waren das öffentliche Schulden, später kam es auch zu einer Schuldendynamik der privaten Haushalte. Die hohe Verschuldungsbereitschaft der US-Haushalte habe dabei die weltwirtschaftliche Dynamik gestützt. Insofern stecke hinter der derzeitigen Krise nicht einfach die Gier der Banker, sondern ein pervertiertes Kreditsystem. Demzufolge sei auch das Vermögen an den Finanzmärkten gegenüber der Realwirtschaft 3- bis 4-mal so schnell angewachsen. Das Wallstreet-Dollar-Regime sei nun zusammengebrochen und es gäbe nun zwei Entwicklungsmöglichkeiten: anhaltende Vermögensvernichtung oder ein kontrolliertes Eingreifen in dieselbe, wodurch man diese zumindest sozial verträglich machen könne.
Ein neues Bretton-Woods müsse über das ursprüngliche Bretton-Woods hinausgehen, v.a. müsse es abgestimmte Konjunkturprogramme geben. Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse bezeichnete Bischoff aufgrund der bestehenden gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse als nicht möglich.
Das von den Veranstaltern geplante Konzept "Author meets Critic" ging in weiterer Folge kaum auf - das Co-Referat von Karl Wengler ging kaum auf die Argumente Bischoffs ein. Noch drastischer war dies beim Referat von BA-CA Finanzanalystin Barbara Rosen und Co-Referent Günther Chaloupek von der AK-Wien der Fall. Chaloupek forderte, die Finanzmärkte verstärkt in den Dienst der Realwirtschaft zu stellen und störende Einflüsse zu reduzieren. Volatilität der Finanzmärkte und realwirtschaftliche Konjunkturzyklen werde es in unserem Wirtschaftssystem immer geben. Es könne kein zurück zum Status quo ante geben - ein grundlegendes Misstrauen gegenüber Finanzinvestitionen müsse Einzug halten, die Rechnungslegungsvorschriften als wichtigstes Werkzeug der Bilanzindustrie müssten einschneidend verändert werden und es bedürfe Regulierungen von Hedge-Fonds und Rating-Agenturen.
In der abschließenden Diskussion ging es v.a. um die Frage von Steuersenkungen, gegen die sich Bischoff mit dem Verweis aussprach, dass diese das mühsam aufgebaute Bündnis aus Gewerkschaften, PensionistInnen und der Masse an dauerhaft aus der Gesellschaft Ausgegrenzten (Hartz-IV-BezieherInnen, Langzeitarbeitslose) in Deutschland gefährden würde. Es bedürfe keiner weiteren Kapitalakkumulation sondern einer Arbeitszeitverkürzung und qualitativ hochwertiger und umfassender öffentlicher Dienste.
Chaloupek verwies im Gegenzug darauf, dass Steuersenkungen notwendig wären, um in der jetzigen Situation den Konsum anzukurbeln.
Onaran versuchte beide Positionen zusammenzuführen, indem sie eine Steuerentlastung für NiedrigverdienerInnen forderte, die v.a. durch eine Sozialabgabenentlastung bewerkstelligt werden soll e (wie es auch vom WIFO gefordert wird). Auf der anderen Seite forderte sie höhere Gewinn- und Vermögenssteuern und machte auch auf die demokratiepolitischen Implikationen einer Arbeitszeitverkürzung aufmerksam. Großbanken müssen zerschlagen werden, es bedürfe öffentlicher, genossenschaftlicher und nicht-profitorientierter Banken. Außerdem solle gesetzlich festgehalten werden, dass Dividendenausschüttungen und Kündigungen unvereinbar seien.
Im Rahmen der Diskussion warf wenigstens ein Teilnehmer aus dem Publikum in seiner Wortmeldung die Eigentumsfrage auf, worauf aus Zeitmangel aber kaum mehr eingegangen werden konnte.
Samstag, 6. Dezember 2008
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