Großkoalitionäre Einigkeit scheint zu herrschen, wenn es darum geht, die Krise auf die Schultern der ArbeitnehmerInnen abzuwälzen: In den letzten Tagen haben ÖVP-Wirtschaftsminister Mitterlehner sowie die "rote" Siemens-Chefin Ederer mit der Forderung nach einem Lohnverzicht aufhorchen lassen. Politikwissenschafter Emmerich Talos hat völlig zurecht dagegen argumentiert, dass ein Lohnverzicht keine Arbeitsplätze sichert - eine Erfahrung, die in den letzten Jahren besonders die deutsche ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung machen musste.
Vielmehr Nachdruck muss dieser Argumentation in der gegenwärtigen Situation verschafft werden. Prinzipiell drohen nämlich deflationäre Prozesse, wenn die Lohnabschlüsse unter der Inflationsrate + Produktivitätssteigerung bleiben. In den letzten Jahren war dies durchwegs bereits der Fall, allerdings konnte dieses latente Risiko durch wachsende Exporte verdeckt werden.
In der jetzigen Situation, wo die Kaufkraft weltweit stagniert, kann der zu geringen Güternachfrage aber auch nicht mehr durch Exportexzesse entgegengewirkt werden. Bleibt auch die Nachfrage im Inland aus, so entsteht ein Druck auf die Güterpreise, da die Waren nicht mehr zu den gewohnten Preisen abgesetzt werden können. Fallen die Preise, so spricht man von einer Deflation - dem Gegenteil der Inflation (wo Waren teurer werden). Spanien hat als erstes EU-Land gestern bereits eine leichte Deflation gegenüber dem Vorjahr vermeldet.
Deflation mag auf den ersten Blick nach Jahren steigender Lebensmittel- und Energiekosten verlockend klingen, birgt aber auch große Gefahren.
Zum einen erhöht eine Deflation die Schuldenlast aller Schuldner.
Ferner ist es aber auch schwierig, die Konsumnachfrage sowie die Investitionen zu simulieren. Wenn die Preise im Fallen sind, wird eine vernünftige Käuferin ein neues Auto nicht heute kaufen, sondern wenn möglich noch etwas Zuwarten, bis die Preise weiter gesunken sind. Auch Unternehmer werden es ihr bei Anlageinvestitionen gleichtun.
Einer solchen Situation ist auch durch das klassische Instrument monetaristischer Wirtschaftspolitik, der Geldpolitik, nicht nachzukommen. Das Problem ist nämlich nicht, dass zu wenig Geld im Umlauf wäre, sondern dass sein Umlauf stockt. Das jahrelange Dahintümplen der japanischen Wirtschaft in einer Deflation ab Mitte der 1990er Jahre hat gezeigt, wie schwierig einer solchen Situation - schon unter international florierenden Verhältnissen - beizukommen ist.
Die Marktradikalen werden einsehen müssen, dass ihr freies Spiel der Marktkräfte horrende gesellschaftliche Verluste produziert, wenn es keinen Spielregeln unterworfen ist. Ein bisschen ist es wie mit dem magischen volkswirtschaftlichen Vieleck: Werden die Finanzmärkte liberalisiert, so bedarf es gut regulierter Arbeitsmärkte, die als Lohnanker deflationären Prozessen vorbeugen. Sollen Finanz- und Arbeitsmärkte liberalisiert werden, dann entstehen solche Prozesse verstärkt und die Politik muss zu fiskalpolitischen Maßnahmen greifen, um die unteren Einkommensschichten massiv zu entlasten - eine Maßnahme gegen welche die Monetaristen dereinst ins Feld gezogen sind. Nur Markt alleine funktioniert eben nicht.
Dienstag, 31. März 2009
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