Montag, 7. September 2009

Minus und Plus ergibt Minus (II)

Im letzten Beitrag wurde gezeigt, dass ein Aufschwung oft nur gegenüber dem jeweiligen Vorjahr ein Aufschwung ist und gegenüber länger zurückliegenden Zeitpunkte dennoch eine Verschlechterung sein kann. Tatsächlich stellt sich aber die Frage, ob dieser Aufschwung auch wirklich kommt. Einiges spricht - zumindest aus österreichischer Sicht - dagegen:

1. Staatsschulden

Dass der Abschwung in Österreich nicht so schlimm wie in anderen Ländern (z.B. Deutschland) war, lag u.a. an den hiesigen Konjunkturpaketen. Diese haben den Konjunktureinbruch abgedämpft, waren allerdings nicht genügend auf den notwendigen Strukturwandel ausgerichtet (Einmal- und Vorzieheffekte, z.B. Verschrottungsprämie, Rettung maroder Betriebe). Vor allem haben sie aber eines: Geld gekostet. Dies wird sich nicht über mehrere Jahre fortsetzen lassen, der Aufschwung wird aber wenn nur zögerlich kommen und weitere öffentliche Konjunkturstimuli brauchen. Für diese sind aber kaum finanzielle Mittel vorhanden.

2. Verzögerte Arbeitsmarktwirkung

Selbst wenn es 2010 mit der Gesamtwirtschaft wieder bergauf gehen sollte, so wird das sicher nicht auf den Arbeitsmarkt zutreffen. In vielen Dienstleistungsbereichen stehen die eigentlichen Kündigungswellen erst bevor, einzelne Auftragszunahmen von Unternehmen werden eher mit Überstunden, selten mit neuen Beschäftigten (und wenn dann Leiharbeitskräften) abgedeckt.

3. Internationale Nachfrageschwäche

Mit der gestiegenen Arbeitslosigkeit und der erwähnt tiefen Rezession in Deutschland - Österreichs wichtigstem Handelspartner - lässt sich die Nachfrage nicht ankurbeln. Die Konjunkturlokomotive USA ist ausgefallen, wird die weltweite Überproduktion nicht weiterhin auf Kredit schlucken können; China ist weit entfernt, eine derartige Rolle übernehmen zu können. Eine internationale Dynamik kann wohl am ehesten durch eine neue internationale Finanz- und Handelsarchitektur ("Bretton-Woods-2") geschaffen werden, die ist aber nicht in Sicht, da die politisch Verantwortlichen lediglich kleine Schönheitsfehler korrigieren.

4. Überkapazitäten

Die derzeitige Krise ist durch die größten weltweiten Überkapazitäten an Produktionsmitteln seit dem Zweiten Weltkrieg charakterisiert. Das bedeutet, dass nicht nur der Privatkonsum der Haushalte (siehe 3) und die öffentliche Nachfrage (siehe 1) ausbleiben wird, sondern seitens der Unternehmen auch keine Investitionen im großen Stil getätigt werden.

Freitag, 4. September 2009

Minus und Plus ergibt Minus (I)

Eine aktuelle Studie der Nationalbank (OeNB) gibt Anreiz, sich mit einer verbreiteten Suggestion tagesaktueller Meldungen auseinander zu setzen. Die OeNB hatte erstmals seit zwei Jahren eine Konjunkturprognose "nach oben" revidiert: nicht minus 4.2 % (wie noch im Juni vermutet) sondern "nur" minus 3.5 % bis minus 3.8 % soll das Wirtschafts"wachstum" ausmachen.

Das nährt Spekulationen (letztere waren ja in anderer Weise massiv am Krisenausbruch beteiligt), dass bald ein "Aufschwung" beginnen könnte und das ist der eigentlich interessante Aspekt, weil dieser "Aufschwung" wird von vielen maßgeblich herbeigesehnt. Verbunden damit ist nämlich die falsche Illusion, dass sich die Handlungsmöglichkeiten der Politik dann wieder ausweiten würden.

Zunächst ist einmal eine banale - aber leicht zu vergessende - Tatsache klarzustellen: Wenn die Wirtschaft z.B. 2009 um 3.5 % schrumpft und dann in den Folgejahren um je 0.5 % wächst (was zumindest für 2010 schon seeehr optimistisch ist), so dauert es dennoch bis 2017 (!) dass der Wert von 2008 erreicht wird, bei einem jährlichen Wachstum von 1 % braucht es immer noch bis 2013. So lange würde es also dauern, bis wieder die Verteilungsspielräume von 2008 zur Verfügung stehen.

Diese "Durchtauchen und Warten"-Politik verkennt aber, dass die Zeiten, in welchen Verteilungspolitik über Wirtschaftswachstum (und Schulden) betrieben wird, ein für alle mal vorbei sind. Trotz - oder wegen - eines nie dagewesenen Reichtums in der Welt hat sich die Verteilungsfrage massiv zugespitzt: Reformen im Interesse der breiten Masse können nur mehr durchgesetzt werden, wenn der Einfluss monopolkapitalistischer Gruppen ernsthaft zurückgedrängt wird. Das setzt eine gewisse Entschlossenheit voraus und keinen pragmatischen Kuschelkurs. Der aktuelle Kampf ums Gesundheitssystem in den USA verdeutlicht dies. Hinzu kommt die paradoxe Problematik, dass es ohne ernstzunehmende Eingriffe auch kaum eine dynamische Wirtschaftsentwicklung geben wird, da die derzeitige Krise eben nicht deshalb entstanden ist, weil sich ein paar Börsianer "verzockt" haben. Wer also das Massenwohl durch Wachstum steigern will und dabei die Verteilungsfrage zu umschiffen sucht, wird feststellen, dass dies voraussetzt, gerade diese Verteilungsfrage zu stellen. Gewissermaßen verdeutlicht das die Problematik der Reichen: Ihr einziger Weg reicher zu werden besteht darin, etwas von ihrem Reichtum abzugeben. Arme Millionäre!

Mittwoch, 2. September 2009

Fraglicher Lichtblick am Arbeitsmarkt: + 29,8 % Arbeitslose

Ende August 2009 waren 238,803 Menschen in Österreich als arbeitslos gemeldet. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Anstieg um 29.8 %. Auch die Zahl der SchulungsteilnehmerInnen stieg wieder rasant an: um 42.8 % auf 57,694.

Rückläufig ist hingegen die Zahl der ArbeitnehmerInnen die Kurzarbeit leisten - für Sozialminister Hundstorfer und Finanzminister Pröll ein Lichtblick. Wenn diese Arbeitsmarktentwicklung aber ein Lichtblick ist, so mag man lieber nicht wissen, wie Misserfolg aussieht.

Dienstag, 1. September 2009

FSA-Chef fordert Tobin Tax

Der Chef der obersten britischen Aufsichts- und Regulierungsbehörde FSA, Adair Turner, hat im Rahmen eines Interviews für Prospect eine Tobin-Tax gefordert. Argumentiert hat er das so wie wir an dieser Stelle: Ein großer Teil der Aktivitäten auf Finanzplätzen sei gesellschaftlich nutzlos ("socially useless").

Turner's Forderung hat zum Teil heftige Kritik der Standort-Fetischisten nach sich gezogen.

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