Freitag, 17. April 2009

„Exzesse? Systemimmanent!“ - Teil II

Die große Geldmaschine

Nur so einfach ist das nicht, wie gewisse Weltverbesserer der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaft sich das vorstellen. Der Finanzmarktkapitalismus hat nämlich seinen Grund in der Sphäre der Realakkumulation und den Schranken, die sich das Kapital beständig selbst auferlegt. Der Entfaltung der inneren Widersprüche des Kapitalismus, die sich in der – chronisch gewordenen – Überakkumulation von Kapital äußert, entspricht die Aufblähung der monetären Sphäre. Überschüssiges Kapital wird seiner Entwertung entzogen, indem es den Finanzmärkten zuströmt.

Hinzu kommt aber noch etwas anderes: Der moderne Imperialismus lebt von der scheinbar unbegrenzten Möglichkeit der Ausweitung des finanziellen Gewinns. Der Begriff „Casino-Kapitalismus“ ist in diesem Zusammenhang irreführend. Casinos funktionieren bekanntlich so, dass einer Geld einsetzt und es dadurch vermehrt, dass ein anderer verliert. Am Ende gewinnt meistens das Casino. Etwas anders funktionieren moderne Finanzmärkte, auch hier setzen viele Menschen Geld ein in der Hoffnung mehr daraus zu machen. An dieser Stelle hört die Analogie aber weitestgehend auf, denn die Finanzmärkte haben heute die Möglichkeit geschaffen, nicht nur innerhalb der monetären Sphäre Vermögen umzuschichten, sondern innerhalb des Sektors selbst Renditen zu schöpfen. Dies funktioniert so, dass Finanzeinkommen auf dem Papier geschaffen wird, indem beispielsweise Zinsen auf einen Kredit immer wieder durch neue Kredite bezahlt werden. Die so geschaffenen Zinseinkommen existieren nur in den Computern der Banken, denen nicht etwa ein real erwirtschafteter Wert gegenübersteht. Sahra Wagenknecht führt daher aus: „Der moderne Kapitalismus hat sich mit dem geschilderten Mechanismus eine Geldmaschine geschaffen, die Einkommen, Gewinne und damit auch Renditen zu produzieren gestattet, ohne auf den beschwerlichen Weg der Suche nach zahlungskräftigen Käufern wirklicher Güter oder Leistungen angewiesen zu sein. Da es ihm genau an dieser zahlungskräftigen Nachfrage regelmäßig zu mangeln pflegt, hat er damit scheinbar eines seiner Grundprobleme gelöst.“

Dieses System hat allerdings weder aufgehört letztlich vom realisierten Mehrwert abhängig zu sein, noch ist es eine „freundlichere“ Variante des Kapitalismus. Im Gegenteil, die Schöpfung dieser fiktiven Vermögen lastet schwer auf den Schultern der Arbeiterklasse, die nun mal – nach wie vor – den gesellschaftlichen Reichtum erwirtschaften, da ja die so geschaffenen Vermögen nicht von alleine wachsen sondern letztlich aus dem Mehrwert gespeist werden müssen. Und zwar über Finanzeinkommen denen eine „realwirtschaftliche“ Leistung gegenübersteht (Zinsen aus dem Gewinn, Dividenden). Früher oder später wollen die Banken von den Schuldnern bare Münze sehen. Je aufgeblähter der finanzielle Sektor ist, desto mehr Druck wird auf das produktiv fungierende Kapital ausgeübt. Insgesamt findet eine gewaltige Umverteilung des Mehrwerts zugunsten der Zins- und Dividendeneinkommen statt. Dadurch wird die Verwertung weiter eingeschränkt und die Neuinvestitionen geraten ins Stocken.

Um sich eine Vorstellung von den Dimensionen der „finanzgetriebenen Akkumulation“ zu machen, sei auf einige Zahlen verwiesen. Allein das Volumen der außerbörslich gehandelten Kreditderivate betrug im Dezember 2007 596 Billionen (in Zahlen: 596.000.000.000.000) USD. Das weltweite Bruttosozialprodukt betrug 2008 hingegen nur rund 62 Billionen USD. Das sind 10,4 Prozent des Volumens der Kreditderivate. Peter Wahl rechnet vor, dass die Aktienverluste an den Börsen im Jahre 2008 (23 Billionen USD) sechsmal so groß waren wie das gesamte Bruttoinlandsprodukt der BRD, also das, was in Deutschland in einem Jahr an Gütern und Dienstleistungen (die bürgerliche Statistik rechnet fälschlicherweise Dienstleitungen zur Wertschöpfung hinzu) produziert wird.

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