Mittwoch, 19. November 2008

AKNÖ zur Wirtschaftskrise

Letzten Donnerstag tagte die 131. Vollversammlung der Arbeiterkammer NÖ. Neben Post und Austrian stand dabei vor allem die Finanzkrise im Mittelpunkt. So forderte etwa der von der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter/-innen eingebrachte Leitantrag einen wirtschaftspolitischen Neubeginn:
Die Wirtschaftskrise, die sich im Frühsommer 2007 am US-Immobiliensektor bemerkbar zu machen begann und nun auch immer stärker über Europa hereinbricht, ist kein kurzfristiger wirtschatlicher Einbruck und schon gar nicht auf den Finanz- oder Immobiliensektor beschränkt.

Die letzten beiden Jahrzehnte waren in der Wirtschaftspolitik maßgeblich vom Dogma geprägt, dass die allgemeine Wohlfahrt umso mehr steigt, je weniger der Staat in den Wirtschaftsprozess eingreift und je mehr Leistungen von Privaten in wettbewerblichen Marktprozessen erbracht werden. Entsprechend dieser Doktrin, die von vielen unter dem Begriff "Neoliberalismus" zusammengefasst wurde, stand die Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit von Konzernen ebenso im Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik, wie den eigenen Wirtschaftsstandort durch sozialpolitischen Kahlschlag interessant für Investititonen zu machen. Mittelfristige Auswirkungen waren u.a. schwindelerregende Gewinne bei gleichzeitigem Abbau von Arbeitsplätzen und eine immer ungelicher werdende Einkommensverteilung zwischen Kapital und Arbeit aber auch innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer/-innen.

Die daraus resultierenden Profite sowie einige enorm hohe Einkommen mussten möglichst profitabel investiert werden. Die Unterwerfung immer breiterer gesellchaftlicher Bereiche (wie Gesundheit, Bildung etc., Privatisierung vormals staatlicher Unternehmen) unter die Logik von Markt und Profit sowie zunehmend riskantere Spekulationen an den Finanzmärkten waren die Folge. Letztere fungierten dabei nicht mehr als für die Realwirtschaft notwendiger Mittler zum Ausgleich zwischen gespartem Einkommen und benötigtem Kredit für Invetitionen. Im Gegenteil ordneten sich Politik und weite Teile der Wirtschaft den Finanzmärkten und ihrer Logik vom Shareholder-Value und kurzfristigen Renditen unter.

Der jetzige finanzwirtschaftliche Almabtrieb zeigt, dass es mit der vielbeschworenen "Rationalität" dieser Finanzmärkte nicht weit her ist und dass diese nicht als Regulator des Wirtschaftsprozesses dienen können. Entgegen dem neoliberalen Credo ist es jetzt der Staat, dessen Handlungsmöglichkeiten in den letzten Jahren mehr und mehr eingeschränkt wurde, der mit großzügigen Notprogrammen und Verstaatlichungen die schlimmsten Auswirkungen des angerichteten Desasters lindern soll. Insofern ist die jetzige Krise nicht nur der Zusammenbruch einiger Finanzmagnaten, sondern einer ganzen ökonomischen Denkschule und des zugehörigen Modells kapitalistischer Entwicklung.

Die Antwort auf die Frage, was nach dem Neoliberalismus kommen wird und wohin sich die Wirtschaftspolitik entwickelt, ist derzeit noch nicht klar abzusehen und wird nicht zuletzt auch davon abhängen, wie sich die Institutionen und Interessenvertretungen der Arbeitnehmer/-innen in die jetzigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen einbringen. Für die AKNÖ ist dabei klar, dass es nicht darum gehen kann, nur kurzfristig Verluste zu vergesellschaften und dann zur Tagesordnung zurückzukehren. Die Konsequenz des wirtschaftspolitischen Desasters muss v.a. eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Markt und Staat sein. Dabei dürfen Kernbereiche, die für das Funktionieren des Wirtschaftskreislaufes und die damit verbundene soziale Absicherung ihrer Teilnehmer/-innen von zentraler Bedeutung sind, nicht weiterhin dem Profitstreben einzelner in der Hoffnung überlassen werden, der Markt werde ein Ergebnis zum Wohle aller verwirklichen. Insbesondere im Bereich der Finanzmärkte ist diesbezüglich stärkere staatliche Regulierung oder mehr staatliche ökonomische Aktivität vonnöten. Dabei wird deutlich, dass das wirtschaftspolitische Umdenken nicht nur auf einzelne Staaten beschränkt sein darf, sondern auch innerhalb der Europäischen Union eine Trendwende vollzogen werden muss.

Auf politischer Ebene muss sichergestellt werden, dass den arbeitenden menschen, die den gesellschaftlichen Reichtum produzieren, die Einflussmöglichkeiten gegeben sind, wie mit diesem Reichtum verfahren werden soll. Das bedeutet v.a. eine Stärkung der Bedeutung der Institutionen und Organisationen der Arbeitnehmer/-innen.
In einem weiteren Antrag zu Strategien gegen die weltweite Finanzkrise forderte die Vollversammlung:
  • dass die Kosten der Krise berechnet und nicht auf die Arbeitnehmer/-innen übergewältzt sondern in Form von Gewinn-, Vermögens- und Spekulationssteuern zurückbezahlt werden sollen,
  • dass unternehmensfinanzierte und staatlich garantierte Auffangnetze für Arbeitnehmer/-innen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, eingerichtet werden
  • dass Einkommenshöchstgrenzen für Manager/-innen definiert werden sowie
  • dass notwendige Staatsbeteiligungen und Verstaatlichungen nicht auf den Finanzsektor beschränkt sein sollen und dafür eine staatliche Auffanggesellschaft gegründet und mit dem notwendigen Kapital ausgestattet werden soll.

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