Freitag, 28. November 2008

Wen trifft die Finanzkrise wirklich?

Unter dieser Frage veranstaltete das Vienna Institute for Dialogue and Cooperation gestern eine Podiumsdiskussion im Wien Museum. Auf die gestellte Frage wurde in den Beiträgen zwar kaum eingegangen, was die Brisanz der Beiträge aber kaum schmälerte.

Walter Ötsch von der Universität Linz lieferte in seinem Beitrag eine scharfe Ideologiekritik der Neoklassik und zeichnete den Aufstieg der Neoliberalen nach, wie er es auch in seinen beiden 2009 erscheinenden Neuveröffentlichungen "Der neoliberale Markt-Diskurs" und "Mythos des Marktes" tut.

Karin Küblböck von der ÖFSE lieferte in äußerst bündiger Form den wohl prägnantesten Vortrag des Abends, indem sie auf die Verflechtung von Realwirtschaft und Finanzkrise hinwies. Einleitend hielt sie fest, das Finanzmärkte zwar wichtig für das Funktionieren einer modernen Volkswirtschaft, allerdings zu mächtig geworden sind. Als Grund daführ führte sie die wachsende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen an, wodurch Geld, das keine produktive Funktion mehr erfüllen konnte, in Finanzmärkte floss und auch durch Pensionsfonds u.ä. gezielt dorthin gelockt wurde. Es könne nicht seien, dass mit unseren Pensionsbeiträgen die Finanzmärkte aufgebläht würden und wir die Risiken zu tragen hätten. Als Alternativen forderte sie eine globale Finanzmarktaufsicht - zumindest auf EU-Ebene -, stärkere Bankenregulierung und das knüpfen des derzeitigen österreichischen Bankenpakets an schärfere Bedingungen, neue Ratingvorschriften, die Schließung von Steueroasen, eine Finanztransaktionssteuer sowie die Verteilungsfrage grundlegend anzugehen.

Alles andere als kurz und prägnant hielt sich Ludwig Scharinger von der Raiffeisen Landesbank OÖ, die sich vor allem der Förderung der lokalen Wirtschaft und weniger riskanten Finanzspekulationen gewidmet hat. Entsprechend kritisierte er zurecht die strenge Regulierung der Kreditvergabe an KMUs im Zuge der Basel-II-Kriterien, die allerdings für Swamps und Hedging keinerlei Regulierung vorsehen. Ferner kritisierte er auch den vielfach gelobten vormaligen Chef der US-Notenbank FED, Alan Greenspan dafür, dass dieser nur Konjunkturpolitik gemacht hätte und dabei auf Stabilitätspolitik vergessen wurde. Durch unterschiedliche, volatile Zinssignale sei die internationale Spekulation gefördert worden, was durch binnenwirtschaftliche Überlegungen motiviert und daher auch nicht international koordiniert gewesen wäre. Dem entsprechend sei auch auch die US-Investmentbank Lehman aus eiskaltem Kalkül fallen gelassen worden, weil das v.a. die EU und Asien träfe und weniger US-Anleger. Dadurch sei es aber genau dazu gekommen, was das derzeitige Problem wäre: eine Vertrauenskrise. Von einer Wirtschaftskrise wollte Scharinger, im Gegensatz zu Küblböck, nicht sprechen.

Die Berarterin des scheidenden Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer und künftige wie ehemalige Nationalbankmitarbeiterin, Helene Schuberth, stieg mit einem Zitat vom Postkeynesianer Hyman Minsky aus "Can 'it' happen again?" in ihren Beitrag ein, wobei sie darauf verwies, dass Minsky mit der verneinung dieser Frage nach der Wiederholbarkeit der Weltwirtschaftskrise 1929 einen seiner wenigen Fehler gemacht hätte. Obwohl die Regierungen hinsichtlich der Problemlösungen und Wirtschaftspolitik nicht von 1929 gelernt hätten, so wäre die derzeitige EU-Bankenrettung doch durchwegs gelungen. In Bezug auf die Aktualität keynesianischer Wirtschaftspolitik verwies sie darauf, dass es heute Maßnahmen bedürfe, die weit über die üblichen Instrumente keynesianischer Wirtschaftspolitik hinausgehen. Sie sehe die Gefahr, dass nur an Stellschrauben gedreht wird, um ein überkommenes System zum Laufen zu bringen, bis es zur nächsten Krise kommt und verwies auf die Schuldendeflationsphase in Japan als abschreckendes Beispiel.

Birgit Ertl von der Finanzmarktaufsicht betonte vor allem die von Gesetzes wegen eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten der Finanzmarktaufsicht, die keine höhere Verwaltungsstrafe als 50.000 €uro verhängen könne. Die internationale Regulierung bezeichnete sie als große Herausforderung unserer Zeit und stellte in den Raum, ob im Zuge dessen nicht der IMF - in abgeänderter Form - als Regulierungsinstitution auf den Plan treten könne.

Kunibert Raffer von der Universität Wien zeigte sich gegenüber dem Vorschlag für mehr Macht für den Währungsfonds erwartungsgemäß skeptisch. Er ging in seinem Beitrag zunächst auf die unterschiedlichen Auswirkungen der Finanzkrise auf die verschiedenen Kontinente ein. Lateinamerika habe sich durch Währungsreserven gut abgesichert und sei deshalb wenig betroffen. Afrika sei weitgehend zu arm, um als Ziel umfangreicher internationaler Finanzinvestitionen und -spekulationen zu dienen. Auch für Asien sei der weltwirtschaftlicher Transitionsriemen in erster Linie kein finanzieller. Dennoch gäbe es für alle Länder(gruppen) negative Auswirkungen über andere Märkte und das sei v.a. der Güterhandel, wobei Raffer auch auf die negativen Auswirkungen sinkender Rohstoffpreise für die Entwicklungsländer - die ja allesamt Rohstoffexporteure sind - hinwies.

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